Arlington Road
(Arlington Road)
USA 1999, 117 Minuten
Regie: Mark Pellington

Drehbuch: Ehren Kruger
Musik: Angelo Badalamenti
Director of Photography: Bobby Bukowski
Montage: Conrad Buff
Produktionsdesign: Thérèse DePrez

Darsteller: Jeff Bridges (Michael Faraday), Tim Robbins (Oliver Lang / William Fenimore), Joan Cusack (Cheryl Lang), Hope Davis (Brooke Wolfe), Robert Gossett (Whit Carver), Mason Gamble (Brady Lang), Spencer Treat Clark (Grant Faraday), Stanley Anderson (Dr. Archer Scobee), Mary Ashleigh Green (Daphne Lang)

Allzu platte Wahrheiten

Bei manchen Filmen steht man vor einer schwierigen Entscheidung, ob man vor Wut über die katastrophal zusammen geschusterte Story zerspringen möchte oder dem Suspense und dem Anliegen des Films doch noch ein paar Seiten abgewinnen kann – was dann wieder beruhigend auf’s Gemüt schlägt. „Arlington Road“ ist so ein halbgarer politischer Thriller, der viel will und wenig weiß, der groß einsteigt und fast da endet, wo der Film seine kritischen Töne ansetzt, der spannend inszeniert ist, aber durch seine logical lacks einem die Haare zu Berge stehen lässt.

Ein kleiner Junge läuft die Straße entlang, verletzt, blutend, verbrannt. Wie ein Fanal wirkt diese Eingangsszene, als Brady (Mason Gamble) durch den zufällig per Auto vorbeikommenden Soziologie-Professor Michael Faraday (Jeff Bridges) gesehen und eilig ins Krankenhaus gebracht wird. Der Dank der Eltern – Oliver und Cheryl Lang (Tim Robbins, Joan Cusack) – ist Faraday selbstverständlich sicher. Eine Andeutung, obwohl sich der Junge bei irgendeinem dummen Streich mit Feuer und Raketen verletzt hat, eine Andeutung auf Geheimes, Verborgenes.

Die Langs und Faraday freunden sich an. In dem „typisch“ amerikanischen Vorort herrscht Ordnung, es ist gekehrt und die Rasen sind gemäht. Hinter der sauberen Fassade allerdings verbergen sich dunkle Geheimnisse hier und offene Wunden dort. Faradays Frau war FBI-Agentin und wurde durch Ermittlungsfehler der Bundesbehörde durch Rechtsradikale, die sich zu Unrecht bedroht und verfolgt fühlten, erschossen. Jetzt liebt Faraday eine seiner Studentinnen, Brooke (Hope Davis), auf die sein kleiner Junge Grant (Spencer Treat Clark) eifersüchtig ist; er will keine andere Mutter.

Faraday wird ebenfalls eifersüchtig. Denn es kommt nicht nur zur Freundschaft zwischen den beiden Jungen. Auch Vater Oliver Lang hat zunehmend Einfluss auf Faraday junior. Der Professor jedenfalls, der gerade ein Seminar über Terrorismus abhält, stößt auf Ungereimtheiten in Langs Leben. Nicht nur, dass Lang früher einen anderen Namen trug und als 16-jähriger wegen eines versuchten Bombenattentats eine Strafe absitzen musste. Faraday ist fest davon überzeugt, dass in Langs Leben noch mehr faul ist. Brooke kann nicht verstehen, warum Faraday im Leben der Langs herumschnüffelt, sich im Archiv alte Zeitungen anschaut und seine Nachbarn nicht in Ruhe lassen will.

Auch der damalige Kollege von Faradays Frau, Whit Carver (Robert Gossett) vom FBI, glaubt nicht an irgendwelche Makel in der jüngsten Vergangenheit von Lang. Doch wie Faraday seine Studenten überzeugen will, dass einige Terroranschläge der Vergangenheit, hinter denen angeblich nur Einzelpersonen gestanden hatten, in Wahrheit Verschwörungen gewesen seien, sieht er auch in Lang einen Verschwörer, der etwas Dunkles im Schilde führt. Als Lang von den Schnüffeleien seines Nachbarn erfährt, reagiert er wie der beleidigte Nachbar, der keiner Fliege etwas antun könnte, und fordert von Faraday Vertrauen; Faraday hätte ihn doch selbst wegen seiner Jugendsünde ansprechen können. Recht hat der Mann, aber die Inszenierung will es dann anders.

Die Welt scheint wieder in Ordnung. Dann allerdings beobachtet Brooke, die die Langs für nette Leute hält, etwas Merkwürdiges. Kurz darauf kommt sie bei einem Autounfall ums Leben ...

Eine interessante Geschichte, nicht wahr? Scheinbar ganz im Sinne von David Lynch konstruiert Pellington eine Handlung, in deren Verlauf sich erschreckende Verbrechen und geplanter Terror nicht als Taten extremer und außergewöhnlicher Einzeltäter erweisen, sondern als Taten ganz „normaler“ Bürger „wie Du und ich“. Die Gewalt kommt also aus der berühmten „Mitte“ der Gesellschaft, von der niemand so genau weiß, wo sie eigentlich liegt. Aber nun gut. Es ist ja etwas Wahres dran – manchmal.

Was mich an dieser Inszenierung gestört hat, ist nicht so sehr die arg über-konstruierte Geschichte, in der sich eines aus dem anderen zu ergeben scheint, sondern die übermäßig zwingend dargebrachte Verschwörungstheorie, mit der die Handlung überzogen wird. Im Grunde hat Jeff Bridges Faraday überhaupt gar keinen Anlass, an der Integrität seiner neuen Nachbarn zu zweifeln. Pellington verknüpft nun die normalen Dinge des Lebens mit dieser Verschwörungstheorie, von der der Zuschauer von Anfang an (!) weiß, dass sie nicht nur Theorie ist: Die Eifersucht auf Lang – weil der mit Faradays Sohn gut kann – kompensiert er mit Zweifeln an Langs Integrität – und fängt an, in dessen Biografie zu schnüffeln. Das Fatale an dieser Konstruktion ist, dass sich etwas als wahr erweist (und wir von Beginn des Films davon wissen), was sich anfangs als reine Spekulation ohne glaubwürdige Anhaltspunkte darstellt.

Beide Väter werden als Opfer der Politik vorgeführt: Während Langs Eltern Haus und Hof durch die Regierung verloren hatten und er deshalb als 16-jähriger zündeln wollte, ist Faraday gereizt, wenn er die Abkürzung FBI zu hören bekommt. Sein Verhältnis zu Whit Carver ist zwiespältig. Einerseits ist Carver FBI-Agent, andererseits Freund der Familie. Niemand (auch Carver nicht) glaubt irgend etwas von dem, was Faraday über Lang herausbekommen haben will bzw. was er vermutet.

Der Verdacht, der hier in den Film eingeführt wird, ist ein irrationales Moment. Jeff Bridges Faraday scheint parapsychologische Fähigkeiten zu besitzen. Er ahnt voraus, was geschehen wird, und als er gegen Ende plötzlich auf einer Verschwörungs-Party der Langs und ihrer wahren oder vermeintlichen Mit-Verschwörer nach seinem Sohn sucht, erscheint diese Szene wie eine billig eingekaufte Kopie einer ähnlichen Szene aus Polanskis „Rosemaries Baby“.

All das läuft einfach zu glatt, voraussehbar ab, auch wenn „Arlington Road“ einige Wendungen bereit hält. Der Showdown ist mir ehrlich gesagt zu martialisch, zu heroisch perfekt im Sinne der Aussage, die dem Film Bedeutung geben soll, angelegt.

Joan Cusack und Tim Robbins spielen ihre Rollen trotz allem überzeugend gut – aber leider eben in einer Geschichte, die viel erzwingen will und dafür auf Charakterdarstellung weitgehend verzichtet. Die äußeren (sozialen) Umstände sind mir ebenso zu flach gezeichnet wie die Personen, noch dazu, wenn eine der Töchter Langs wie ein kleiner böser Dämon in der Haustür steht – überflüssiges Beiwerk. Und Jeff Bridges? Er passt sich der Über-Inszenierung an, übertreibt Emotionalität, kompensiert dies (scheinbar) durch ebenso übermäßige Intuitionsgabe und wirkt gegen Ende eher distanziert als involviert.

„Arlington Road“ unterstellt etwas Furchtbares: Der Verdacht, die Verdächtigung, die sich aus einem Gefühl der Eifersucht entwickelt, wird zum Positiven verkehrt. Die Bespitzelung, das Perfide wird aber nur scheinbar als moralisch Integres abgesichert, indem die Inszenierung keinen Zweifel daran lässt, dass Lang ein Verschwörer ist. Diese Verknüpfung ist der Kernpunkt, der einen wütend machen kann.

Auch ein solcher Film kann trotz allem spannend sein. Und „Arlington Road“ ist spannend, vielleicht allerdings etwas zu lang. An Lynchs Filme über den Schrecken und die schrecklichen Menschen Amerikas dort, wo man sie nicht gerne sehen will, kommt der Film nicht heran. An „Rosemaries Baby“, der vielleicht noch vergleichbar wäre, ebenso nicht.

© Bilder: Sony Pictures