Crazy Heart
USA 2009,112 Minuten
Regie: Scott Cooper

Drehbuch: Scott Cooper, nach dem Roman von Thomas Cobb
Musik: Stephen Bruton, T-Bone Burnett
Director of Photography: Barry Markowitz
Montage: John Axelrad
Produktionsdesign: Waldemar Kalinowski

Darsteller: Jeff Bridges (Bad Blake), Maggie Gyllenhaal (Jean Craddock), Colin Farrell (Tommy Sweet), Robert Duvall (Wayne), Beth Grant (Jo Ann), James Keane (Manager), Paul Herman (Jack Greene), Rick Dial (Wesley Barnes), Brian Gleason (Steven Reynolds)

"This ain’t no place to lose your mind"

Arizona, Texas, New Mexico – was soll's? Wo er sein bisschen Geld verdient, ist ihm egal. Viel bekommt er eh nicht mehr, der gealterte Country-Sänger Bad Blake, 57 Jahre, der mehr Whiskey trinkt und Zigaretten raucht, als dass er seine alten Lieder singt. Das Publikum, das ihm noch zuhört, ist eher in seinem Alter. Die Bars, die er zumeist mit einer Pick-up-Band mit seinen Rhythmen füllt, sind nicht gerade voll. Zwei, drei Dutzend Zuhörer, die aber sind von ihm, dem alten Bad Blake, nach wie vor begeistert.

So alt wie er scheint auch sein Wagen, doch der rollt noch über die Landstraßen und Highways, Hunderte von Meilen zwischen Houston und Santa Fe, zwischen Phoenix und irgendeinem Kaff dazwischen.

"Your heart’s on the loose
You rolled them seven’s with nothing lose
And this ain’t no place for the weary kind

You called all your shots
Shooting 8 ball at the corner truck stop
Somehow this don’t feel like home anymore

And this ain’t no place for the weary kind
And this ain’t no place to lose your mind
And this ain’t no place to fall behind
Pick up your crazy heart and give it one more try" (1)

Dass Jeff Bridges für seine Rolle in "Crazy Heart" den Oscar erhalten hat, ist nicht nur kaum verwunderlich – es ist mehr als verdient. Der "Big Lebowski" läuft in solchen Rollen auf Hochtouren, nein, nicht als Action-Darsteller, sondern eher im Gegenteil. Die subtile Performance, die Bridges in solchen Rollen darbietet, ist schlicht eine Sensation.

"Crazy Heart" ist eine Art Road-Movie, aber vor allem ein seelischer Road-Movie. Bad Blake ist ein Einzelgänger, einer jener "unzeitgemäßen" lonesome rider, die nicht auf dem Pferd sitzen und ihren Colt schwingen, sondern per Auto, Gitarre und Stimme ihre Show abziehen. Abzogen, muss man vielleicht sagen, denn auf dem CD-Markt ist er längst nicht mehr gefragt, und sein Manager schiebt ihm einen kleinen Auftritt nach dem anderen zu. Das große Geld machen längst andere.

"Your body aches…
Playing your guitar and sweating out the hate
The days and the nights all feel the same

Whiskey has been a thorn in your side
and it doesn’t forget
the highway that calls for your heart inside

And this ain’t no place for the weary kind
And this ain’t no place to lose your mind
And this ain’t no place to fall behind
Pick up your crazy heart and give it one more try." (1)

Eines Tages kommt Bad Blake nach Santa Fe. Die Nichte eines Pianisten, Jean Craddock, bestimmt 25 oder mehr Jahre jünger als Bad Blake, will die Legende der Country-Musik interviewen. Jean ist auf ihre Weise eine Verliererin; mit Männern hatte sie nie Glück. Nun versucht sie sich seit einiger Zeit als Journalistin. Es passiert, was nicht unbedingt passieren muss, aber es passiert. Die junge Frau verliebt sich in den alkoholabhängigen, kettenrauchenden Sänger – und der sich in sie. Jeans Lebensmittelpunkt aber ist nicht ihr Job, sondern ihr vierjähriger Sohn Buddy. Der und Bad Blake werden schnell zu Freunden. Bad Blake versteht es, mit Buddy umzugehen.

Bad Blake trifft noch jemand anderen, den er eigentlich nie wieder treffen wollte: Tommy Sweet, einen wesentlich jüngeren Country-Musiker, mit dem Bad Blake vor Jahren zusammengespielt hat. Tommy hat, wie er selbst sagt, alles von Bad Blake gelernt – und er füllt mit seiner Band sämtliche Konzertsäle. Bad Blake soll in Phoenix mit ein paar Musikern die Vorband für Tommy und seine Band spielen.

Wenig später baut Bad Blake einen Unfall. Jean versorgt ihn, bis ... ja bis ...

"Your lovers warm kiss…
It’s too damn far from your fingertips
You are the man that ruined her world

Your heart’s on the loose
You rolled them seven’s with nothing to lose
And this ain’t no place for the weary kind." (1)

Nein, nein, hier haben wir keine wirkliche tragische Geschichte vor uns. Im Gegenteil, the lust for life, die Gier nach dem "Weiter", nicht geboren aus Leid, Verlust oder ähnlichem, sit in jeder Szene dieses Films zu spüren. Und dieser Streifen lebt eben unabdingbar auch von der Musik. Ich bin kein Fan jeder Country-Musik. Doch was Stephen Bruton, T-Bone Burnett und eben auch Jeff Bridges hier an Musik bieten, kann einen schon vom Hocker reißen (die CD zum Film ist eigentlich für Fans dieses Films auch ein must hear). Zur Einstimmung höre man Bridges auf YouTube (2) oder eben dort Bridges und Farrell in einem Ausschnitt aus dem Film (3). Will sagen: Die Musik und die Auftritte passen sich in die Stimmung des Films so optimal ein, dass es eine Freude ist.

Bad Blake, der Trinker, der Qualmer, dem ein Arzt bescheinigt, dass nicht sein gebrochenes Bein sein Problem wäre, sondern das akute Risiko eines Infarkts, ist ein typischer Suchtkranker – falsch! In gewisser Weise sagt diese Geschichte mehr über Alkoholismus aus als alle möglichen anderen Filme oder Bücher. Es ist diese – leicht verdrehte – Sucht nach dem Leben, die Bad Blake treibt. Der Alkohol ist die "verquere" Richtung von Bad Blake. Es ist nicht so sehr der geringe Erfolg, unter dem Bad Blake leidet. Wenn überhaupt, ist es das wenige Geld, das er mit seinen kleinen Auftritten verdient, die ihm Sorgen macht.

Aber auch das ist nicht der entscheidende Punkt. Der Mann ist kein Looser, kein Aufgeber, nein, er fährt weiter, immer weiter. Viermal war verheiratet, er hat einen Sohn, den er seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen hat. Und sein Freund Wayne – in einer großartigen Nebenrolle Robert Duvall – sagt ihm, er solle seine Schuldgefühle vergessen. Er habe früher Fehler gemacht. Aber jetzt habe er sich schließlich bei ihm gemeldet. Und wenn sein Sohn ihn nicht sehen oder sprechen wolle, was solle er schon machen?

Auch die Beziehung zu Jean ist geprägt von einem Zusammenstoß von Erfahrungen, aus denen Jean und Bad Blake ihre Schlüsse ziehen müssen. Jean will auf jeden Fall verhindern, dass ihr Sohn in irgendeiner Weise in Kontakt mit Alkohol kommt. Aber sie greift Bad Blake nicht wegen seines Trinkens an. Ob das gelingen kann, hängt im wesentlichen von Bad Blake ab.

Und Tommy Sweet? Der steht dafür, dass man nicht vergessen sollte. Er verschafft Bad Blake, für den er so eine Art Ersatzsohn war, Aufträge, neue Songs zu schreiben – ein wesentlicher Punkt in diesem Film, der auch so etwas propagiert, aber ganz leise und nüchtern, wie Solidarität.

"Crazy Heart" hat so etwas wie ein nostalgisches Flair, eine sehnsuchtsvolle Stimmung, natürlich auch in Teilen des american dream, aber letzteres in einer wirklich realistischen, keineswegs ideologisch aufgeladenen Art. Schon jetzt ist "Crazy Heart" für mich einer der Filme des Jahres.

Wertung: 10 von 10 Punkten.

© Bilder: 20th Century Fox.

(1) Words and performed by Ryan Bingham.
(2)
Bridges auf YouTube
(3) Bridges und Farrell auf YouTube

(19. März 2010)