Dämonisch
(Frailty)
USA 2001, 99 Minuten
Regie: Bill Paxton

Drehbuch: Brent Hanley
Musik: Brian Tyler
Director of Photography: Bill Butler
Montage: Arnold Glassman
Produktionsdesign:

Darsteller: Bill Paxton (Dad Meiks), Matthew McConaughey (Adam Meiks), Powers Boothe (Agent Wesley Doyle), Matthew O’Leary (der junge Fenton Meiks), Jeremy Sumpter (der junge Adam Meiks), Luke Askew (Sheriff Smalls), Levi Kreis (Fenton Meiks), Derk Cheetwood (Agent Griffin Hull), Missy Crider (Becky Meiks), Alan Davidson (Brad White), Cynthia Ettinger (Cynthia Harbridge),Vincent Chase (Edward March), Gwen McGee (Operator), Edmond Scott Ratliff (der Engel), Rebecca Tilney (Lehrerin)

Die Rückkehr göttlicher Racheengel

Es gibt einige, wenn auch wenige Filme, bei denen es mir schwer fällt, das Ende nicht zu verraten, weil von der Schlusspointe oder abhängt, wie man einen Film beurteilt. „Frailty“ (= Zerbrechlichkeit, Schwäche) gehört zu diesen Filmen. Ich werde mich trotzdem bemühen, hier nichts über den Ausgang des Streifens des Schauspieler-Regisseurs Bill Paxton zu verraten. Die Geschichte, die Paxton erzählt, ist in ihrer Grundsubstanz schlicht und erschreckend zugleich. Der Vater zweier Söhne glaubt, im Auftrag Gottes Dämonen in Menschengestalt vernichten zu müssen. Der Film gewinnt aus der Perspektive der drei Personen teilweise eine gewisse Stärke – zumindest zu Anfang –, weil der eine Sohn dem Ansinnen seines Vaters bedingungslos folgt, der andere verzweifelt bemüht ist, seinen Vater von seinem Vorhaben abzubringen – ohne Erfolg.

1979. Mr. Meiks (Bill Paxton) lebt mit seinen beiden Söhnen, dem jüngeren Adam (Jeremy Sumpter) und dem älteren Fenton (Matthew O’Leary) ganz glücklich zusammen, obwohl die Mutter vor Jahren gestorben ist. Eines Nachts hat Meiks eine Vision. Ein Engel erscheint ihm und beauftragt Meiks, im Namen Gottes Dämonen in Menschengestalt zu vernichten. Eine Liste mit einem halben Dutzend Namen der angeblichen Dämonen liefert der Engel gleich mit. Meiks berichtet seinen beiden Söhnen von der Erscheinung. Angeblich steht die Welt vor dem Untergang, der Tag des jüngsten Gerichts scheint nahe. Während Adam seinem Vater glaubt und gehorcht, hat Fenton von Anfang an nicht nur Zweifel, sondern hält seinen Vater für krank. Meiks bewaffnet sich mit einem Eisenrohr und einer „heiligen“ Axt, entführt im Beisein seiner Söhne das erste Opfer, eine Frau, knebelt und fesselt sie. Als er die Frau anfasst, zittert sein Körper – angeblich der Beweis dafür, dass es sich um einen Dämon handelt. Er tötet die Frau mit der Axt und begräbt die Leiche im nahe liegenden Park. Fenton ist verzweifelt. Sein Vater scheint wahnsinnig geworden zu sein.

Das alles erzählt Jahre später ein junger Mann (Matthew McConaughey) dem FBI-Agenten Wesley Doyle (Powers Boothe). Sechs verschwundene Menschen sind bis zu diesem Zeitpunkt nie wieder aufgetaucht; eine Leiche wurde gefunden. Der junge Mann, der sich als Fenton Meiks vorstellt, erzählt Doyle, sein Vater und sein Bruder (den er angeblich nach dessen Selbstmord gerade begraben habe) seien für den Tod dieser Menschen verantwortlich, die sie für Dämonen gehalten hätten. Er könne ihm zeigen, wo die Leichen der verschwundenen Opfer begraben seien. Er erzählt Doyle aber noch mehr:

Er, Fenton, habe sich, weil er dem Spuk ein Ende bereiten wollte, an den Sheriff (Luke Askew) gewandt, der ihm die Geschichte nicht abgenommen habe. Sein Vater habe ihn kurz zuvor gezwungen, eine Grube auszuheben, die als Unterkellerung für einen Schuppen gedient habe. Dort habe man die angeblichen Dämonen hingebracht, um sie zu ermorden. Als Fenton den Sheriff in den Keller gebracht habe, um ihm die letzte Leiche zu zeigen, sie diese verschwunden gewesen. Sein Vater habe den Sheriff getötet, damit niemand von seiner „heiligen Aufgabe“, Dämonen zu töten, die für Mord und Vergewaltigung verantwortlich seien, erfahre. Nach dem Mord an dem Sheriff habe sein Vater Fenton in den Keller gesperrt, damit Fenton zum Glauben zurückfinde. Er, Fenton, sei schuld, dass Meiks nun einen Menschen getötet habe. Nach wochenlangem Aufenthalt im Keller – er habe nur Wasser bekommen – habe ihn Meiks herausgelassen. Fenton habe ihm gesagt, er glaube nun wieder an Gott und den göttlichen Auftrag. Das nächste Opfer, das man entführt habe, sollte Fenton selbst töten. Doch Fenton habe statt dessen seinen Vater mit der Axt erschlagen, um dem Morden ein Ende zu bereiten.

Doyle ist erstaunt, entsetzt, führt den jungen Mann, der sich als Fenton ausgegeben hat und dem gegenüber Doyle misstrauisch ist, in Handschellen zu dem Garten, in dem die Opfer begraben sein sollen ...

Paxtons Regiedebut hinterließ bei mir einen äußerst zwiespältigen Eindruck. Zum einen gewinnt der Film durchaus an Spannung durch den familiären Zwist, ausgelöst durch die Wahnvorstellungen Meiks. Der „Glaubensstreit“ zwischen Meiks und Fenton und der Loyalitätskonflikt zwischen Fenton und seinem Bruder ist auf der anderen Seite im Stil von amerikanischen Fernsehproduktionen der 60er Jahre inszeniert. Ich denke da – trotz des wesentlich tragischeren Inhalt von „Frailty“ – etwa an „Die Waltons“ oder auch die Cartwrights auf der Ponderosa. Dieser Stil wirkt eben nicht in einem positiven Sinne klassisch, sondern eher veraltet, brav und bieder. Die Erzählperspektive mit Rückblenden und die Spannung zwischen dem erwachsenen Fenton, der sich als Adam erweist, und FBI-Agent Doyle ist zwar sicher „gut gemeint“, kann aber vom Spannungsbogen der Geschichte her gesehen nicht vollends überzeugen.

Vergleiche, die in einigen Filmkritiken etwa mit „Shining“ von Kubrick gezogen werden, halte ich für völlig verfehlt. Was mich allerdings am meisten an diesem Film enttäuscht und geärgert hat, ist der Schluss. Was sich anfangs als eine, wenn auch stilistisch eher abgeschmackte, Auseinandersetzung mit religiösen Wahnvorstellungen andeutet, verkommt gegen Ende zu einer – wenn man es ganz vorsichtig ausdrücken will – dümmlichen Klamotte, die diesen Wahnvorstellungen den Mantel des Realistischen umhängt. Für religiös eingestellte Menschen, die an einen gütigen Gott glauben und den (zum Teil) wütenden und rächenden Gott des Alten Testaments nicht zu ihrem Vorbild erkoren haben, wird dieses Ende die Grenzen zur Blasphemie überschritten haben. Für religiöse Fanatiker und entsprechende Sekten wird die Auflösung des „Falls“ willkommener Anlass sein, sich in ihrem Kampf gegen die „Ungläubigen“ und „Sündhaften“ bestätigt zu sehen.

Man soll zwar nicht übertreiben: Es handelt sich schließlich nur um einen Film. Und Filme sind, wie man ja nun längst weiß, sehr unterschiedlich interpretierbar. Die belanglose und allzu simple Offenheit der letzten Viertelstunde von „Dämonisch“ allerdings ist kaum Anlass für Sorglosigkeit. „Frailty“ ist weniger ein Film über religiös verkleisterte Wahn- und auch Moralvorstellungen, noch weniger ein an die Spitzenfilme des Psycho-Horror-Genres heranreichender Streifen, sondern nach diesem Schluss des Films eher eine simpel gestrickte Dämlichkeit mit der Maßgabe – filmstilistisch wie von der Handlung her – „Zurück in die Vergangenheit“. Sicher, Realität und Fiktion müssen unterschieden werden, Film ist Film und Realität ist Realität. Doch nach all den Diskussionen um Sekten, nach all den Erfahrungen – insbesondere auch in den USA – mit religiösen Eiferern und „Fundamentalisten“, die noch heute die Bibel statt Darwin & Co. & Nachfolger in den Schulen sehen wollen, kann man einen solchen Film kaum völlig aus der Diskussion um seine öffentliche Wirkung heraushalten wollen.

„Frailty“ ist in gewissem Sinn – nicht nur dramaturgisch – ein Betrug. Während der Großteil des Films unterstellt, es gehe um Wahn und seine Folgen für dessen Opfer und die beiden Söhne Meiks, macht Paxton in der letzten Viertelstunde eine Kehrtwendung und erklärt diesen Wahn für Gottes Willen. Das ist starker Tobak – mit allen Konsequenzen, die das mit sich bringt. Meiks und Adam Meiks erhalten die Namen auf ihren Listen von einem rächenden Gott. Das geht so weit, dass Adam, der sich als Fenton ausgibt, weiß, welche dunkle Seite die Vergangenheit von Agent Doyle hat. Wer sich angesichts solcher Theorien über einen strafenden, rächenden Gott des Schwertes zumindest unangenehm berührt fühlt, dem kann man das wirklich nicht verdenken.