Daredevil
(Daredevil)
USA 2003, 103 Minuten
Regie: Mark Steven Johnson

Drehbuch: Mark Steven Johnson
Musik: Graeme Revell
Director of Photography: Ericson Core
Montage: Dennis Virkler, Armen Minasian
Produktionsdesign: Barry Chusid, James E. Tocci

Darsteller: Ben Affleck (Matthew Murdock / Daredevil), Jennifer Garner (Elektra Natchios), Colin Farrell (Bullseye), Michael Clarke Duncan (Kingpin / Fisk), Jon Favreau (Franklin Nelson), Scott Terra (der junge Matt), Ellen Pompeo (Karen Page), Joe Pantoliano (Ben Urich), Coolio (Daunte Jackson), Leland Orser (Wesley), Lennie Loftin (Manolis), Erick Avari (Nikolaos Natchios), Derrick O’Connor (Father Everett), Paul Ben-Victor (Jose Quesada), David Keith (Jack „The Devil“ Murdock)

Funny !

Aus dem gleichen Haus wie „Spiderman“, dem Hause Marvel (Stan Lee, der „Spiderman“ erschuf), kommt eine noch etwas düstere Gestalt an Comic-Held in einer noch etwas düsteren Atmosphäre, und Mark Steven Johnson und seine Designer haben ihrem Film das entsprechende Design verpasst. Hell’s Kitchen in The Big Apple, Manhattan, in dem der Rächer auf Touren kommt, ist jedenfalls nachts kaum wiederzuerkennen. Die Umrisse der Wolkenkratzer in ihrem künstlichen Licht ummantelt Johnson mit einer nasskalten, dunklen Welt, in der sich die Bösewichter wie die Guten mehr wie Schatten ihrer selbst bewegen. Johnson packt die Geschichte in eine Mixtur aus comic-ähnlichem Spiel der Figuren in der Nacht und realistischeren, lebendigeren Szenen am Tag. Ähnlich funktioniert die Spaltung der Hauptfigur, Daredevil, tagsüber der blinde Anwalt, der nur die Unschuldigen vertritt, nachts der Rächer, der die Unzulänglichkeiten des Justizsystems – oder was er dafür hält – „korrigiert“.

Matt Murdock (Ben Affleck) verlor als Kind (Scott Terra) seinen Vater (David Keith), einen Boxer, dessen beste Zeit bereits vorbei war, durch Mord, für den ein Verbrecher, den alle Kingpin nennen, verantwortlich zeichnete. Kingpin, das ist der Gangsterboss per se, dessen Identität niemand (außer uns) kennt, der dicke Zigarren rauchende, wohl beleibte Mr. Fisk (Michael Clarke Duncan), der hoch oben über Manhattan thront. Matt ist blind. Doch diesen Mangel gleicht er aus durch eine außergewöhnliche Ausbildung seiner anderen vier Sinne. Er „sieht“ sozusagen durch Geruch, Gehör, Gespür, Geschmack bzw. deren Kombination. (Frag mich bitte niemand, wie das funktioniert. Es funktioniert einfach.) Wenn es regnet, „kombiniert“ sein Gehörsinn die Schallwellen zu einem inneren Bild, und so kann Matt-Daredevil z.B. eine Person schattenhaft erkennen (oder so ähnlich; unwichtig).

Matts Kindheitstrauma führt ihn schnurstracks in das Studium der Jurisprudenz. Als Anwalt verteidigt er nur Unschuldige, Opfer von Gewaltverbrechen zum Beispiel. Und wenn Justitia versagt, sprich: von der Unschuldsvermutung ausgehen muss, weil dem Angeklagten keine Straftat nachgewiesen werden kann, gleicht Matt als Daredevil des nachts diese Schmach wieder aus. Matt allerdings ist sich seiner Sache nicht so sicher, wie dies vielleicht scheinen mag. Des öfteren findet er sich im Beichtstuhl von Pater Everett (Derrick O’Connor) wieder, der ihn immer wieder ermahnt, dass seine Rache nichts mit Gerechtigkeit zu tun habe. Everett allerdings ist selbst innerlich gespalten in dieser Hinsicht. Einerseits verurteilt er Matts nächtliche Feldzüge, andererseits kann er ein gewisses Verständnis nicht verhehlen.

Eines Tages lernt Matt, der mit seinem Anwaltskollegen Franklin Nelson (Jon Favreau) freundschaftlich verbunden ist, die wunderschöne (was auch sonst?) Elektra Natchios (Jennifer Garner) kennen, Tochter eines griechischen Reeders, deren Mutter vor Jahren ebenfalls ermordet wurde. Ihr Vater schickte sie in verschiedene Nahkampfausbildungen, und so kann die überaus ansehnliche junge Frau mit allerlei Kunststückchen und Kampfeinlagen aufwarten. Ein kurzer Nahkampf mit Matt bringt die beiden zusammen. Love.

Elektras Vater Nikolaos (Erick Avari), Multimilliardär, ist leider in die dunklen Geschäfte mit Fisk alias Kingpin verwickelt. Als er sich von Fisk zurückziehen will, setzt der den psychopathischen und irischstämmigen (was sich natürlich nicht bedingt) Killer, die Kampfmaschine mit Zielkreisen auf der Stirn Bullseye (Colin Farrell) auf Natchios an, der kurz darauf getötet wird. Allein, für Elektra, die das nicht verhindern kann, sieht es so aus, als ob Daredevil der Mörder ihres Vaters sei. Und Matt-Daredevil bekommt noch mehr Probleme, denn Fisk will auch ihn aus dem Weg räumen.

Eins ist klar. Action und CGI-Effekte haben Johnson und sein Team exzellent in Szene gesetzt, auch wenn man nicht viel Neues zu sehen bekommt, was anderweitig nicht schon mal bewundert werden konnte. Daredevil springt die Häuserwände hoch, hüpft von Wolkenkratzer zu Wolkenkratzer, stürzt sich auch mal hinunter, kämpft besser als jeder Sehende, und ist dennoch keine mehr oder weniger seelenlose Kampfmaschine à la Xander Cage (Vin Diesel) aus „XXX-Triple X“. Das allerdings wiederum muss man Farrells Bullseye bescheinigen, über den man nicht mehr erfährt, als dass er wild entschlossen ist, Daredevil und einige andere ins Jenseits zu befördern. Bullseye ist „einfach“ ein abgefahrener und durchgeknallter Typ, über dessen Herkunft und Biografie man lieber nichts wissen möchte, oder doch? Michael Clarke Duncan, dick, grinsend, sozusagen stets präsent, gefällt sich in der Rolle des Bösewichts aller Bösewichte in Hell’s Kitchen. Er hat Charakter, wenn auch einen, dessen Träger man nicht über den Weg laufen möchte. Jennifer Garner, the one and only woman in this movie (wenn man von einem kurzen Auftritt von Ellen Pompeo absieht), ist wahrlich keine zweite Lara Croft, spielt mit Tiefgang – und insgesamt bilden Affleck, Garner und Duncan ein ansehnliches schauspielerisches Dreieck, das die Handlung zusammenhält.

Noch zu erwähnen ist Joe Pantoliano, kaum wiederzuerkennen, als Reporter Ben Urich, der sich für den geheimnisvollen Daredevil interessiert, seine Geschichte schreiben will.

Sicherlich, könnte man einwenden, die Geschichte dieses rächenden Anwalts aller Unschuldigen ist nicht besonders einfallsreich. Kindheitstrauma aufgrund des Verlust der Eltern, und das gleich zweimal (bei Matt und Elektra), und daraus resultierende Racheabsichten – nothing new at the Box Office. Auch die Handlung strotzt nicht gerade vor Einfällen in bezug auf intensive erzählerische Elemente. Und gegenüber „Spiderman“ muss „Daredevil“ meines Erachtens ins zweite Glied treten. Trotzdem kann ich nicht verhehlen, dass mir der Film erheblichen Spaß bereitet hat, nicht zuletzt auch aufgrund einiger komödiantischer Einlagen, für die insbesondere Jon Favreau verantwortlich zeichnet. So ganz ernst nimmt sich der Film im übrigen selbst auch nicht. Und der Konflikt, in dem Matt angesichts seiner Suche nach Gerechtigkeit, geraten ist wird durchaus glaubwürdig geschildert. Gerade der Showdown zwischen Affleck und Duncan dokumentiert dies deutlich. „Daredevil“ ist kein tiefschürfender anspruchsvoller Film, sondern eben der Versuch, einem Comic filmische Weihen zu verleihen. Und das jedenfalls ist Johnson ganz gut gelungen.

Zudem sind Effekte und Kampfszenen ansehnlich, und Ben Affleck ist offenbar durchaus in der Lage, auch anderes als gewohntes zu spielen.