Der Fall Cicero
(5 Fingers)
USA 1952, 108 Minuten
Regie: Joseph L. Mankiewicz

Drehbuch: Joseph L. Mankiewicz, Michael Wilson, nach dem Roman von L. C. Moyzisch
Musik: Bernard Herrmann
Director of Photography: Norbert Brodine
Montage: James B. Clark
Produktionsdesign: George W. Davis, Lyle R. Wheeler, Thomas Little, Walter M. Scott

Darsteller: James Mason (Ulysses Diello, „Cicero”), Danielle Darrieux (Gräfin Anna Staviska), Michael Rennie (George Travers), Walter Hampden (Sir Frederic), Oscar Karlweis (L. C. Moyzisch), Herbert Berghof (Obersturmbannführer Richter), Ben Astar (Siebert), John Wengraf (Franz von Papen), Roger Plowden (Macfadden)

Spionage zwischen den Fronten

Der ehemalige Militärattaché in der deutschen Botschaft in Ankara, L. C. Moyzisch, veröffentlichte Jahre nach dem zweiten Weltkrieg ein Buch unter dem Titel „Fünf Finger”, in dem er über die Spionagetätigkeit eines aus Albanien stammenden Engländers mit dem ihm von den Deutschen verliehenen Codenamen „Cicero” berichtet. Dieses Buch war 1950 Anlass zu einer parlamentarischen Anfrage im englischen Unterhaus und 1952 nahm sich Joseph L. Mankiewicz („Julius Cäsar”, 1953; „Die barfüßige Gräfin”, 1954; „Der stille Amerikaner”, 1958; „Venedig sehen und erben”, 1967; „Mord mit kleinen Fehlern”, 1972) des Stoffes an, um an Originalschauplätzen die Geschichte für das Kino aufzuarbeiten.

In der deutschen Botschaft in Ankara taucht im März 1944 bei Militärattaché Moyzisch (Oscar Karlweis) ein unbekannter Mann auf und bietet den Deutschen Informationen des britischen Geheimdienstes an – für 20.000 britisch Pfund Sterling, versteht sich. Der Mann, Ulysses Diello (James Mason), macht kein Hehl daraus, dass er Angehöriger der britischen Botschaft ist. Was Moyzisch allerdings nicht weiß: Diello ist Kammerdiener des britischen Botschafters Sir Frederic (Walter Hampden). Der deutsche Botschafter, der ehemalige Reichskanzler Franz von Papen (John Wengraf), und Moyzisch zögern zunächst, mit dem Unbekannten Geschäfte zu machen. Doch die ersten Filme, die Diello liefert, überzeugen von Papen und Moyzisch davon, dass Cicero, wie sie den Spion nennen, über fast sämtliche Operationen der Alliierten wichtige Dokumente liefern kann.

Die Naziregierung in Berlin stimmt dem Geschäft mit Cicero zu. Cicero liefert die Protokolle der „Teheraner Konferenz” und Informationen über die so genannte Zweite Front in der Normandie. In Berlin allerdings ist sich der SS-Führer und Leiter des Reichssicherheitshauptamtes Kaltenbrunner nicht sicher, ob Diello nicht ein Spion der Engländer ist, der den Deutschen falsche Informationen liefert. Er schickt den Obersturmbannführer von Richter (Herbert Berghof) nach Ankara, um die Situation zu erkunden. Auch die Briten haben durch die Spionageabwehr inzwischen herausgefunden, dass die Deutschen von einem Maulwurf informiert sein müssen. Sie schicken den Agenten George Travers (Michael Rennie) in die neutrale Türkei, um den Spion zu enttarnen.

Inzwischen „sammelt” Diello Tausende von Pfund für die Dokumente, die sich im Tresor des britischen Botschafters befinden. Zudem nimmt er Kontakt mit der polnischen Gräfin Anna Staviska (Danielle Darrieux) auf, für deren inzwischen verstorbenen Mann er früher als Kammerdiener gearbeitet hatte. Die Gräfin wurde von den Deutschen aus Polen vertrieben. Diello will sie für seine Geschäfte einspannen. Die Gräfin lässt sich mit ihm ein, aber sie verfolgt vor allem eigene Interessen ...

„Der Fall Cicero” gehört – obwohl sieben Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation gedreht – zu jenen Filmen, die man getrost in den Bereich der psychologischen Kriegsführung einordnen könnte. Doch das sagt nicht alles über diesen Film. Denn im Mittelpunkt steht zweifelsohne: Ulysses Diello, ein Mann, der sich für die politischen und militärischen Konflikte nicht interessiert. Diello interessiert sich nur für sich selbst. „Cicero” sieht die Chance, seinem Dasein als Kammerdiener endgültig zu entkommen, vielleicht mit der Gräfin Staviska in Südamerika ein Leben in Saus und Braus zu beginnen.

Diello ist Egoist, kaltschnäuzig, setzt alles auf eine Karte und ist sich seiner Sache absolut sicher. Er denkt und handelt aber nicht unrealistisch, kennt die Stärken und Schwächen sowohl der deutschen wie der britischen Botschaftsangehörigen, und vor allem derjenigen Kreise, für die er als Kammerdiener gearbeitet hat. James Mason spielt diesen abgebrühten und offenbar mit allen Wassern gewaschenen Spion, der keine Angst zu kennen scheint, in bekannter Genialität. Trotz seiner politischen Ignoranz und Skrupellosigkeit hat Diello die Sympathien auf seiner Seite. Danielle Darrieux spielt eine Gräfin, die mit allen Mitteln versucht, ihren von früher gewohnten Lebensstil zu erhalten. Anfangs bietet sie sich von Papen als Spionin an; doch der lehnt dankend ab. Als Diello ihr Geld gibt und dafür verlangt, dass sie repräsentative Räume mietet, in denen Diello ab und an seine Geschäfte abwickeln kann, wittert sie eine Chance, auch weiterhin zu Geld zu kommen. Diello ahnt nicht, dass die Gräfin ein doppeltes Spiel treibt.

„Der Fall Cicero” überzeugt vor allem durch die schauspielerischen Leistungen aller Hauptdarsteller, eine spannende Geschichte, die von der gegenseitigen Jagd der verfeindeten Geheimdienste, den Intrigen der Gräfin und dem riskanten Spiel Diellos geprägt ist, und nicht zuletzt durch die Bilder des an Originalschauplätzen (Ankara, Istanbul) gedrehten Films.