Der Schrecken der Medusa
(The Medusa Touch)
Frankreich, Großbritannien 1978, 105 Minuten
Regie: Jack Gold

Drehbuch: John Briley, nach einem Roman von Peter van Greenaway
Musik: Michael J. Lewis
Director of Photography: Arthur Ibbetson
Montage: Ian Crafford
Produktionsdesign: Peter Mullins

Darsteller: Richard Burton (John Morlar), Lino Ventura (Brunel), Lee Remick (Dr. Zonfeld), Harry Andrews (Kommissar), Alan Badel (Barrister), Marie-Christine Barrault (Patricia), Jeremy Brett (Edward Parrish), Michael Hordern (Atropos), Gordon Jackson (Dr. Johnson), Michael Byrne (Duff), Derek Jacobi (Townley), Robert Lang (Pennington), Avril Elgar (Mrs. Pennington), John Normington (Schulmeister), Robert Flemyng (Richter McKinley)

I have a gift for disaster

Nach einem Roman von Peter van Greenaway drehte Jack Gold 1978 die Geschichte um einen mysteriösen Mann, der von sich behauptet, Katastrophen herbeiführen zu können – nur mit seinem Willen. Das Erschreckende, das dieser Film erzeugt, ergibt sich aus einer völlig normalen Umgebung, in der nur ein Mensch unnormal erscheint – John Morlar, gespielt von Richard Burton, der vor 20 Jahren, am 5. August 1984, verstarb.

Inspektor Brunel (Lino Ventura) ist Gast bei Scotland Yard. Im Austausch mit einem britischen Kollegen, der zeitweise bei der Sûreté arbeitet, ermittelt Brunel in einem außergewöhnlichen Mordfall. Der Schriftsteller John Morlar wurde erschlagen. Als Brunel und sein englischer Kollege Duff den Tatort besichtigen, beobachten Sie plötzlich, dass sich Morlars Brustkorb bewegt. Im Krankenhaus wird Morlar an ein EEG angeschlossen. Sein Gehirn ist tätig, und es scheint, als wehre er sich dagegen zu sterben. Für Dr. Johnson (Gordon Jackson) ist es nur eine Frage der Zeit, dass Morlar stirbt. Sein Kopf wurde durch mehrere Schläge mit einem äußerst harten Gegenstand so sehr verletzt, dass ein Überleben Morlars unmöglich erscheint.

Brunel verhört Morlars Nachbarn, Mr. Pennington (Robert Lang), der behauptet, er habe Morlar so gut wie gar nicht gekannt, obwohl die Wände dünn sind und man von Morlars Wohnung aus deutlich den Fernseher in Penningtons Wohnung hören kann. Morlar schien ein einsamer Mensch gewesen zu sein. Er habe keine Freunde gehabt und sei nie besucht worden. In seinem Tagebuch findet Brunel rätselhafte Einträge: Den Namen Zonfeld etwa, oder die Frage „Wo bist Du, L.” – und die Erwähnung einer geheimnisvollen „Westfassade” – alles Dinge, mit denen Brunel zunächst nichts anfangen kann.

Dann allerdings stößt er auf den Namen Zonfeld im Telefonbuch. Wie sich zeigt, handelt es sich um Dr. Zonfeld, eine Psychiaterin, bei der Morlar in Behandlung war.

Dr. Zonfeld (Lee Remick) erzählt Brunel von Wahnvorstellungen Morlars. Er habe ihr erzählt, er könne nur durch seinen Willen Katastrophen herbeiführen. Er habe sich verantwortlich gefühlt für den Tod seiner Eltern, die er nicht mochte und die durch ihr eigenes Auto angefahren von einer Klippe in den Tod gestürzt seien; ebenso für den Tod eines Lehrers, der ihn damit gequält hatte, 1.068 Blätter im Park zu sammeln, als Strafe für ein zu loses Mundwerk; und für den Tod des religiös-fanatischen Kindermädchens, dessen Gerede er nicht mehr hören konnte.

Ein Anwalt erzählt Brunel, Morlar sei eine Zeitlang Verteidiger gewesen. In einem Prozess gegen einen Mann, dem Aufruf zur Gewalt vorgeworfen wurde, habe Morlar eine flammende Verteidigungsrede gehalten und den britischen Militarismus kritisiert. Richter McKinley (Robert Flemyng) habe den Mann zu neun Jahren Zuchthaus verurteilt. Alle im Gerichtssaal hätten gesehen, wie Morlar ihm daraufhin in die Augen geschaut habe und McKinley bleich vor Entsetzen geworden sei. Eine Stunde später sei er in seinem Zimmer im Gerichtsgebäude an einer Herzattacke gestorben.

Brunel ist ratlos. Hatte Morlar übersinnliche Kräfte? Er schaut sich Berichte über Telekinese an, befragt nochmals Dr. Zonfeld, die ihm offenbar nicht alles erzählt hat. Inzwischen misst das EEG verstärkte Gehirnaktivität bei Morlar. Brunels Londoner Vorgesetzter (Harry Andrews) kann an den Spuk, den ihm Brunel berichtet, nicht glauben. Doch dann erzählt Dr. Zonfeld von weiteren Ereignissen, die Brunel zu denken geben: Nachdem Morlars Frau Patricia (Marie-Christine Barrault) sich von ihm ab- und einem anderen Mann zugewandt hatte, kamen beide kurze Zeit später bei einem Autounfall ums Leben. Morlar fühlte sich auch für diesen Unfall verantwortlich und behauptet weiter steif und fest, solche Katastrophen nur mit seinem Willen herbeiführen zu können. Er habe ihr, Dr. Zonfeld, auch verzweifelt berichtet, dass er durch diese Gabe offenbar nur Schreckliches auslösen könne, nichts Gutes.

Und schließlich berichtet Dr. Zonfeld über ein Ereignis, das sie zutiefst erschüttert habe. Sie sei selbst Zeuge einer solchen Katastrophe geworden – in Anwesenheit Morlars ...

Jack Gold, der nach „The Medusa Touch” fast ausschließlich noch TV-Filme inszenierte, führt uns in eine völlig „normale”, das heißt für sich genommen alltägliche Welt, in der ein Mord passiert, in der ein Jumbo-Jet abstürzt, in der eine Mondlandung schief geht und auch ansonsten Katastrophen geschehen, über die tagtäglich im Fernsehen berichtet wird. In diese Welt setzt er einen Mann, der behauptet, er habe zwar nicht alle, aber einige dieser Katastrophen verursacht, weil er es wollte. Wir sehen ihn als kleinen Jungen, der mit seinen Eltern, die ihn nicht sehr mochten, an die Küste fährt. Während die Eltern an die Klippe gehen, sieht man den kleinen John in das Auto steigen, wieder aussteigen und in den Felsen zurückgehen. Er hat an dem Fahrzeug nicht manipuliert. Trotzdem setzt es sich in Bewegung, auf die Eltern zu, die dies zu spät bemerken und samt dem Fahrzeug in die Tiefe stürzen.

Ähnliches passiert an der Schule, als der Lehrer, der John bestrafte, im Feuer umkommt, und mit dem Kindermädchen, später mit anderen, u.a. auch der Frau seines Nachbarn, die aus dem Fenster springt. Nie hat Morlar seine Finger im Spiel. Und lange Zeit weiß man nicht, ob es sich nur um eine „Verkettung unglücklicher Umstände” – wie es so schön heißt – handelt, also um einen Unglücksraben, der daran zu verzweifeln beginnt, dass er offenbar Katastrophen anzieht, oder um einen Psychopathen, der tatsächlich in irgendeiner Weise an diesen Katastrophen beteiligt ist.

Richard Burton spielt diesen John Morlar wie einen gewöhnlichen Mann, der Hilfe in der Psychologie sucht, der Dr. Zonfeld inständig bittet, ihm zu glauben und aus dieser Situation heraus zu helfen, während die Psychologin lange Zeit an Wahnvorstellungen glaubt, die man behandeln müsse. Morlar jedoch lässt ihr dazu gar keine Gelegenheit. An den Einbruch des Schicksalhaften, des Bösen in Gestalt dieses Mannes wagt man zunächst nicht zu glauben. Und tatsächlich bleibt bis zum Schluss unklar, ob Morlar diese Fähigkeit, durch seinen Willen Katastrophen auszulösen, bewusst einsetzt oder ob ein innerer Zwang ihn dazu treibt, gegen den er sich nicht wehren kann.

Insgesamt gesehen allerdings fügen sich die Puzzle-Steine immer deutlicher zusammen: Zu den Toten zählen seine Eltern, die ihn ablehnten, ein Lehrer, der ihn quälte, ein Kindermädchen, die eine religiöse Fanatikerin war, ein Richter, der einen Kritiker des englischen Militarismus hart bestrafte, eine Nachbarin, die an ihrem Mann nichts Gutes ließ – und ganz zum Schluss schickt sich Morlar an, den Repräsentanten der britischen Gesellschaft den Garaus zu machen: Kirche, Staat, Kleinbürgertum und ein blinder Fortschrittsglaube – das scheinen die Ziele des Hasses Morlars zu sein. Trotzdem scheint das, was er auslöst, eher durch einen inneren Zwang erwirkt, denn durch eine bewusste Tat seines Verstandes.

Wüssten Brunel und Dr. Zonfeld nicht, warum bestimmte Dinge passiert waren, würden sie all diese Katastrophen eben für „normale” Katastrophen halten. Lino Ventura spielt das, was er oft spielte, einen abgefeimten, misstrauischen und schlauen Polizisten, der sich nicht so leicht ins Bockshorn jagen lässt. Lee Remick überzeugt in der Rolle einer Psychologin, der man anfangs nicht anmerkt, dass sie etwas zu verheimlichen hat, mehr über Morlar weiß, als sie Brunel erzählt.

Insgesamt ein mysteriöser Film, der mit einem spannenden Showdown, einem Wettlauf mit der Zeit endet; und an diesem Ende steht einer, der nicht aufzugeben scheint oder es nicht kann. „Sucht den Mann mit der Macht, Katastrophen heraufzubeschwören.”