Django
(Django)
Italien, Spanien, Frankreich 1966, 90 Minuten
Regie: Sergio Corbucci

Drehbuch: Sergio Corbucci, Bruno Corbucci, José Gutiérrez Maesso, Franco Rossetti, Piero Vivarelli
Musik: Luis Enríquez Bacalov
Director of Photography: Enzo Barboni
Montage: Nino Baragli, Sergio Montanari
Produktionsdesign: Carlo Simi

Darsteller: Franco Nero (Django), José Bódalo (General Hugo Rodriguez), Loredana Nusciak (Maria), Ángel Álvarez (Nataniele, Saloon-Besitzer), Gino Pernice (Jonathan, der Prediger), Eduardo Fajardo (Major Jackson)

Corbuccis Abgesang auf den Western

Fast alles Heroische ist eliminiert. Dreck allerorten. „Dreck” kennzeichnet vielleicht am besten alles, was diesen Film beherrscht. Der Schmutz und Schlamm der Straße, menschlicher Abfall – überall Tod und Tote, überall „dreckige” Gesinnungen. Es ist nicht so sehr die Herrschaft des Bösen, die „Django” kennzeichnet, diesen Italo-Western, der neben Sergio Leones Dollar-Trilogie und „Spiel mir das Lied vom Tod” dem amerikanischen Western den Todesstoß versetzen wollte. Von den Amerikanern verächtlich „Spaghetti-Western” tituliert, reißt „Django” fast alles nieder, was den gängigen amerikanischen Western auszeichnet, geht in gewisser Weise noch über das hinaus, was Fred Zinnemann in „High Noon” desavouierte: das aufgesetzte, ideologiegeladene Heldentum, die klischeehaft positive aufgemotzte amerikanische Gemeinschaft, die in der amerikanischen Kultur so durchgängig sichtbare Sicherheitsideologie, die sich bis heute – unter dem Stichwort „Bekämpfung des Terrorismus” – in allen Schattierungen zu Wort und zur Tat meldet.

Aber es wäre einseitig, solche Filme wie „Django” und Leones Western nur unter diesem Aspekt zu sehen. Natürlich spielt auch der Konkurrenzgesichtspunkt zum Genre des amerikanischen Westerns eine nicht zu unterschätzende Rolle. Man wollte einen Gegenpunkt setzen, eine andere Art von Western kreieren.

„Django” kündigt bereits in den Anfangssequenzen an, wie Corbucci, der später mit „Leichen pflastern seinen Weg” (1968) mit Jean-Louis Trintignant und Klaus Kinski und „Mercenario” (1968), ebenfalls mit Franco Nero in der Hauptrolle, weitere ähnliche Western drehte, dem „ur”-amerikanischen Genre den falschen Schein nehmen will. Ein Mann zieht einen Sarg durch schlammiges Gelände in eine Stadt, die wie ausgestorben wirkt. Zum Teil halb verfallene Holzhäuser, dreckige Straßen und ein einziger Ort, in dem noch Leben zu sein scheint, der Saloon, zieren das Bild. Der „normale” amerikanische Bürger spielt hier längst keine Rolle mehr: keine Familie, keine Drugstores, nicht einmal ein Sheriff sind zu sehen. Nur Schlamm. Und im Saloon, der von einem kleinen dicklichen Mann namens Nataniele (Ángel Álvarez) geführt wird, treffen wir und Django, der sich zum Essen und Trinken niederlässt, ältliche Prostituierte, teilweise geschminkt bis zum Geht-nicht-mehr – ein fast schon Otto-Dix-reifes Gemälde.

Django (Franco Nero) kommt nicht allein. Er hat eine Prostituierte bei sich, Maria (Loredana Nusciak). Die hat er unterwegs aufgegabelt, als zwei Mexikaner sie an einem Holzgerüst gefesselt auspeitschen wollten. Kurzer Prozess: Django erschießt die beiden und schneidet Maria los. Auch die fünf Südstaatler, die daraufhin sich Maria bemächtigen wollen, erleiden das gleiche Schicksal. Sieben Leichen in den ersten paar Minuten des Films.

Die Getöteten gehörten einer Gruppe an, die von dem marodierenden Major Jackson (Eduardo Fajardo) geführt wird – einem Mann, der den bereits beendeten Krieg zwischen den Südstaaten und Mexiko verlängern will, der im Clinch mit dem mexikanischen „Revolutionär” General Rodriguez (José Bódalo) liegt. Der Ort selbst, erzählt Nataniele, sei „neutral”, sprich: Man zahlt an Jackson, um einigermaßen Ruhe zu haben. Man demütigt sich, man unterwirft sich, man ist feige.

Django, konfrontiert mit Jackson, erschießt im Saloon gleich nochmals fünf seiner Männer, lässt Jackson aber laufen. Und weniger später enthüllt er, warum er eigentlich einen Sarg hinter sich her zieht: Darin befindet sich nämlich ein Maschinengewehr, mit dem er am nächsten Tag 40 weitere Männer von Jackson niedermäht.

Als die Mexikaner davon hören, besetzen sie den Ort, und da Rodriguez in der Schuld von Django steht, der ihm einmal das Leben gerettet hatte, lässt er ihn am Leben. Django erzählt Rodriguez von Gold, das sich in einem benachbarten Fort befinde, wo auch Jackson sein edles Metall aufbewahre. Man überfällt das Fort, raubt das Gold und entkommt. Aber Rodriguez will Django nicht ausbezahlen. Immer weiter gerät Django zwischen die Fronten der Mexikaner und der Südstaatler. Aber genau das wollte er auch ...

Die gesamte Dramaturgie, die Inszenierung, die Bilder des Films weisen zunächst einmal eindeutig darauf hin, wie stark Corbucci daran interessiert war, dem Genre des amerikanischen Western den Garaus zu machen. Gleichzeitig ist der Film in fast allen Facetten stark an Leones Western orientiert. Gewalt und Schmutz beherrschen alle menschlichen Beziehungen. Jackson und die Südstaaten-Soldaten sind ebenso menschlicher Abschaum wie die Mexikaner, die von Revolution reden und schwärmen, aber insbesondere in der Behandlung Marias und der anderen Frauen deutlich machen, wes Geistes Kind sie sind. Die Südstaatler tragen rote Masken und Halstücher, und die Assoziation zum Ku-Klux-Klan kann kaum eindeutiger sein. Dazwischen stehen die, die als „normale” Bürger übrig geblieben sind: ein Saloon-Besitzer, der sein Fähnchen nach dem Wind richtet und versucht, immer auf der Seite des jeweiligen Siegers zu stehen, und die Frauen des Ortes, allesamt Prostituierte, denen es nur darauf ankommt, immer Kunden zu haben.

Dabei ist „Django” keineswegs moralisch. Corbucci enthüllt, aber nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern indem er zeigt, wie er sich den „Wilden Westen” vorstellt.

Und er zeigt diesen stoppelbärtigen, Django, in langem Mantel und mit Hut, das Gesicht immer halb versteckt, dessen Pläne zunächst nicht durchschaubar sind. Zuerst erscheint Django auch als jemand, der ausschließlich seine Interessen verfolgt. Dann jedoch offenbart sich, wer Django, der einmal für die Nordstaaten gekämpft hat, ist – ein Mann, der nichts mehr zu verlieren hat, ein desillusionierter „Held”, dessen Frau auf dem Friedhof von Tombstone – wo wir uns befinden, diesem Ort, der im amerikanischen Western eine so zentrale Rolle spielt – begraben liegt, ein Mann, der den Tod nicht fürchtet und der nur noch ein Ziel hat: Rache für den Tod seiner Frau, für den Major Jackson verantwortlich ist. Maria, die zwischen den Fronten steht, verliebt sich in Django, und als sie ihm dies sagt, antwortet er:

„Wenn man sich schon Illusionen macht,
dann aber richtig. Es muss stimmen,
auch wenn es nicht für lange ist.”

Man kann die die sarkastische Grundhaltung des Films kaum besser in Worte kleiden. Auch für Maria zerfällt im übrigen eine Illusion nach der anderen. Von beiden Seiten - den Südstaatlern wie den Mexikanern missbraucht – glaubt sie an ein besseres Leben, mit Django, irgendwo anders. Davon bleibt nichts.

Am Schluss bleiben Django und die Prostituierten übrig. Jackson und Rodriguez und ihre Männer sind tot. Nataniele ist tot. Maria überlebt schwer verletzt. Django hat sich Genugtuung verschafft und die Prostituierten haben keine Kunden mehr.

Der Held, der hier übrig bleibt, ist ein desillusionierter Held, ein völlig einsamer Mann, umgeben von Tod und Dreck, einem fast verlassenen Ort und der verlorenen Liebe zu einer Frau, für die er nichts anderes tun konnte, als Rache ausüben.

Von der Ideologie des amerikanischen Westerns bleibt nichts. Wie Gary Cooper, der in „High Noon” den Marshall-Stern in den Staub wirft, wird Django verbittert weiterziehen – allerdings mit dem Unterschied, dass Django von Anfang an keine Illusionen hatte, während Zinnemann im Laufe der Handlung diese Illusionen langsam, aber stetig platzen ließ. Selbst die Religion, in amerikanischen Western eine unantastbare Stätte höchster Moral, zieht Corbucci in den Dreck. Der am Ort ansässige Prediger Jonathan (Gino Pernice) ist ein falscher Prophet, einer, der sich an Jackson verkauft hat und Maria vor den Prostituierten für das Massaker an Jacksons Leuten verantwortlich macht.

„Django” hat natürlich Nachfolger gehabt, etwa „Töte, Django” (1967; Regie: Guilio Questi) und „Django und die Bande der Gehenkten” (1968; Regie: Ferdinando Baldi, mit Terence Hill und Horst Frank). Aber diese Filme kann man fast alle getrost vergessen, weil sie die bei Corbucci auf die Erzählung bezogene Gewalt zum Selbstzweck verkommen ließen und ins Maßlose steigerten.