Geliebte Aphrodite
(Mighty Aphrodite)
USA 1995, 95 Minuten
Regie: Woody Allen

Drehbuch: Woody Allen
Musik: Dick Hyman
Director of Photography: Carlo di Palma
Montage: Susan E. Morse
Produktionsdesign: Santo Loquasto

Darsteller: Woody Allen (Lennie Weinrib), Mira Sorvino (Linda Ash Weinrib), Helena Bonham Carter (Amanda), F. Murray Abraham (Chorleiter), Danielle Ferland (Kassandra), Peter Weller (Jerry Bender), Michael Rapaport (Kevin), Dan Moran (Ricky, Zuhälter), Jack Warden (Tiresias, der blinde Seher), Claire Bloom (Amandas Mutter), David Ogden Stiers (Laius), Olympia Dukakis (Jokaste), Jeffrey Kurland (Ödipus),

Über maßgeschneiderte Mütter

Woody Allen liegt nicht jedem. Ich liebe einige seiner Filme wie „Was Sie schon immer über Sex wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten” (1972), „Der Stadtneurotiker” (1977), „Manhattan Murder Mistery” (1993) oder „Bullets over Broadway” (1994). 1995 versuchte Allen, seine „übliche Geschichte” dahingehend zu variieren, dass er einen antiken griechischen Chor samt Jokaste (Olympia Dukakis), Ödipus (Jeffrey Kurland), dem blinden Seher (Jack Warden) und Kassandra (Danielle Ferland) in die Handlung einbaute. Die Sagengestalten samt Chorleiter (F. Murray Abraham) kommentieren das Verhalten der Hauptperson des Films, natürlich wie immer Allen selbst, der den Sportjournalisten Lenny Weinrib spielt.

„Mighty Aphrodite” ist eine kurzweilige Komödie mit dem typischen Allen’schen Hintersinn, auch wenn er an die Brillanz der oben genannten Filme sicherlich nicht herankommt.

Weinribs Angetraute Amanda (Helena Bonham Carter) wünscht sich ein Kind, will allerdings durch eine Schwangerschaft keine Zeit verlieren. Denn sie plant die Eröffnung einer Kunstgalerie. Baby und Beruf eilen. Lenny will kein Kind. Als Amanda dann jedoch ein zur Adoption freigegebenes Baby in Lennys Armen legt, gibt er nach. Max wird der süße kleine Kerl forthin heißen.

Lenny kümmert sich intensiv um seinen Sohnemann. Allerdings kriselt es in der Ehe der Weinribs, und in punkto Sex ist tote Hose. Zu allem Überfluss ist ein gewisser Jerry Bender (Peter Weller), ein arroganter Schnösel, der Amanda bei der Einrichtung einer Galerie helfen soll, hinter ihr her. Doch Lenny quält noch anderes: Was, wenn Max irgendwann einmal wissen will, wer seine leibliche Mutter ist? Und auch Lenny selbst lässt diese Frage nicht mehr los. Da die Behörden jedoch zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, beschafft er sich die Unterlagen über Max Mutter heimlich und begibt sich auf die Suche nach der Unbekannten.

Er findet sie. Linda Ash (Mira Sorvino) heißt sie, sieht gut aus und ist – Prostituierte. Schlimmer: Die nicht gerade sehr kluge Dame mit Piepsstimme stellt ihre Haut auch in Pornofilmen zur Schau. Bei einem ersten Treffen in Lindas Wohnung denkt sie, Lenny sei ein Kunde, doch der will nur näheres über sie erfahren und: das leichte Mädchen zu einer anständigen Frau machen – des Sohnes wegen. Zunächst denkt Linda, Lenny sei ein Perverser, doch dann merkt sie, dass er es gut mir ihr meint, trifft sich sogar mit einem von Lenny ausgewählten Bräutigam in spe, dem nicht sehr intelligenten Boxer und Zwiebelfarmer Kevin (Michael Rapaport).

Amanda, die von Lennys heimlichen Treffen mit Linda nichts ahnt, wird derweil von Bender umgarnt und will Lenny sogar verlassen. Der wiederum bekommt es mit dem verärgerten Zuhälter von Linda Ricky (Dan Moran) zu tun. Guter Rat ist da teuer ...

Allen schlängelt sich, wie immer, durch alle möglichen und unmöglichen Situationen hindurch, hat das Glück des Tüchtigen, aber auch das Pech desjenigen, der heimlich, still und leise in das Leben anderer eingreifen will. Auch die Warnungen des antiken Chors nützen da wenig. Kassandra sieht das Unheil nahen: „Ich sehe Unglück, ich sehe eine Katastrophe, schlimmer noch: Ich sehe Anwälte.” Aber da sieht sie dann doch wieder einmal zu schwarz. Die Einwände des Chorleiters prallen an Lenny ab; er geht seinen Weg. Und schließlich wissen die phantasierten Gestalten, die für so etwas wie das Unterbewusstsein des Sportjournalisten stehen, nichts anderes mehr zu tun, als zu versuchen, als das Schlimmste durch gezielte Hinweise zu verhindern. Ansonsten greift der Chor unmerklich durch Liebeslieder in das Geschehen ein.

Auch „Mighty Aphrodite” lebt von Allens komischen Dialogen. Als er mit Amanda anfangs darüber redet, wie denn ihr Baby heißen soll und sie vorschlägt Ben, kommentiert Lenny: „Ben?? Ben Weinrib??? Soll er Weltmeister im Rommee werden?” Als Max größer ist, fragt er seinen Vater, wer denn der Boss sei, er oder seine Mutter. „Ich natürlich. Mami sagt uns, was wir tun, und ich bediene die Fernbedienung.” Als ein Freund ihn beruhigen will, jeder habe mal einen Ehekrise, antwortet Lenny: „Einen Tiefpunkt halte ich aus, aber ich will auch nicht unter den Meeresspiegel sinken.”

Auch die Szenen zwischen Allen und Mira Sorvino sind größtenteils köstlich, was sich vor allem aus der Spannung zwischen Lennys heimlicher Absicht, Linda auf den „richtigen Weg” zu bringen, und Lindas Naivität ergibt. Linda hat keine Probleme, fast dauernd in einer sexualisierten Sprache zu sprechen, während Lenny sie gerade davon abhalten will. In Lindas Wohnung stehen zudem überall Objekte der Lust, kleine mexikanische Figuren mit Sombrero und einem Kaktus als Penis zum Beispiel.

Mira Sorvino ist köstlich-naiv in ihrer Rolle, F. Murray Abraham, der in „Amadeus” (1984) eine Glanzrolle als Salieri absolvierte, ist als antiker griechischer Chorleiter unterbeschäftigt. Den Einfall mit dem Chor könnte man für überflüssig halten. Andererseits lockert er die Handlung doch merklich auf. Helena Bonham Carter spielt routiniert gut, aber eben eigentlich keine tragende Rolle. Im Zentrum stehen eindeutig Allen und Sorvino. Zu erwähnen ist noch Michael Rapaport, der den extrem einfältigen und naiven boxenden Zwiebelfarmer überzeugend vorstellt.

„Mighty Aphrodite” ist gelungene Abendunterhaltung, kurzweilig, komisch und allemal eine Klasse besser als so manche amerikanische Komödie, die diesen Begriff nur im Munde führt. Allen – wenn auch schon ein bisschen alt für die Rolle, die er spielt – ist in seinem Element. An die Klasse seiner älteren Filme kommt er mit „Geliebte Aphrodite” allerdings nicht heran.

© Bilder: Miramax Films