Glut unter der Asche
(Peyton Place)
USA 1957, 162 Minuten (DVD: 151 Minuten)
Regie: Mark Robson

Drehbuch: John Michael Hayes, nach dem Roman von Grace Metalious
Musik: Franz Waxman
Director of Photography: William C. Mellor
Montage: David Bretherton
Produktionsdesign: Jack Martin Smith, Lyle R. Wheeler, Bertram C. Granger, Walter M. Scott

Darsteller: Lana Turner (Constance MacKenzie), Lee Philips (Michael Rossi), Lloyd Nolan (Dr. Matthew Swain), Arthur Kennedy (Lucas Cross), Russ Tamblyn (Norman Page), Terry Moore (Betty Anderson), Hope Lange (Selena Cross), Diane Varsi (Allison MacKenzie), David Nelson (Ted Carter), Barry Coe (Rodney Harrington), Betty Field (Nellie Cross), Mildred Dunnock (Mrs. Elsie Thornton), Leon Ames (Mr. Harrington), Lorne Greene (Staatsanwalt), Erin O’Brien-Moore (Mrs. Evelyn Page)

Brüchige Fassaden

Douglas Sirk wusste sehr genau, dass in den 50er Jahren über bestimmte tabuisierte Themen in Hollywood nicht geredet – es sei denn hinter vorgehaltener Hand –, geschweige denn über solche Tabus gefilmt werden durfte. Sirk thematisierte in seinen Filmen, wie Verhalten, das nicht in die sozialen Normbereiche integriert ist, mit aller Gewalt bestraft wird. In seinem 1955 entstandenen Film „All That Heaven Allows“ (mit Jane Wyman und Rock Hudson in den Hauptrollen) etwa erzählte Sirk die Geschichte der reichen Witwe Scott, die sich in einen viel jüngeren Mann verliebt, einen Gärtner. Nachbarn, Freunde, Bekannte, ihre ganze soziale Umgebung reagieren mit Aggression, Intrige, Druck. Erst Todd Haynes „durfte” 2002 in seinem Melodrama „Dem Himmel so fern”, einem Remake des Films von Sirk, die „wahre” Geschichte erzählen, in der es um die Homosexualität eines verheirateten Mannes geht.

Zwei Jahre nach Sirk inszenierte Mark Robson eine ganz ähnliche Geschichte um die Konflikte in einer Kleinstadt in New England in der Zeit um den japanischen Angriffs auf Pearl Harbor. Auch „Peyton Place” gehört zu jenen Melodramen, die gemeinhin als schwülstig und emotionsüberladen dargestellt werden. Manche meinen gar, dieser Film sei eine Art Vorläufer heutiger Soap Operas. Doch diese Meinung verkennt, in welcher Zeit und unter welchen Umständen solche Filme entstanden sind.

„Peyton Place” nach einem Roman von Grace Metalious erzählt die Geschichte zweier Freundinnen, Allison MacKenzie (Diane Varsi), die bei ihrer Mutter Constance (Lana Turner) lebt und ohne Vater aufgewachsen ist, der zwei Jahre nach ihrer Geburt gestorben war, und Selena Cross (Hope Lange), die bei ihrer Mutter Nellie (Betty Field) und ihrem alkoholabhängigen und gewalttätigen Stiefvater Lucas Cross (Arthur Kennedy) lebt. Nellie arbeitet als Haushälterin bei Mrs. MacKenzie. Allison und Selena sind seit Kindesbeinen beste Freundinnen und besuchen das College. Sie stehen kurz vor dem Abschluss.

Robson lässt Allison die Geschichte der beiden Freundinnen im Rückblick erzählen. Er zeigt eine dieser typischen, auf den ersten Blick friedfertigen amerikanischen Kleinstädte, in satten Technicolor-Farben, in denen die Kinder noch auf ihre Eltern hören, jedenfalls meistens, in denen die Straßen noch sauber und die kleinen Vorgärten gepflegt sind, eine Stadt im von schönen Wäldern umgebenden New England – also eine scheinbar heile Welt mit den üblichen, nicht sehr wichtigen Konflikten, die im Grunde keine Bedeutung haben.

Doch hinter dieser friedfertigen Fassade verbergen sich eben doch schwerwiegende Konflikte. Allisons Mutter Constance zum Beispiel versucht mit allen Mitteln, ihre Tochter daran zu hindern, mit Männern näher in Kontakt zu treten. Als sie Allison auf einer Party dabei „erwischt”, wie die junge Frau einen ihrer Mitschüler küsst, kommt es zum heftigen Streit. Doch Allison ahnt nicht, warum ihre Mutter so heftig reagiert, und vor allem, dass Constance ihr verheimlicht, welcher Herkunft Allison wirklich ist. Constance hatte ihr immer erzählt, sie sei mit Allisons Vater verheiratet gewesen.

Auch der neu in die Stadt gekommene Rektor des Colleges, Michael Rossi (Lee Philips) vermutet hinter der harten Haltung Constances ein Geheimnis. Rossi, der sich in Constance verliebt, wird barsch von ihr zurückgewiesen.

In Selenas Leben läuft ebenfalls nicht alles zum Besten. Die ständigen Reibereien mit dem fast immer betrunkenen Stiefvater Lucas Cross, der als Hausmeister am College arbeitet und einer jener Menschen ist, die nur sich selbst sehen und sich ständig als Opfer anderer betrachten, enden damit, dass Cross seine Stieftochter vergewaltigt. Als Selena daraufhin schwanger wird, weiß sie keinen anderen Rat, als sich dem örtlichen Arzt Dr. Swain (Lloyd Nolan) anzuvertrauen, der die daraufhin erfolgende Abtreibung in den Papieren offiziell als Blinddarmoperation einträgt, weil er meint, dadurch weiteren Schaden von Selena abwenden zu können, und der Cross dazu zwingt, die Stadt für immer zu verlassen – ein folgenschwerer Irrtum, wie sich später herausstellen soll. Denn nicht nur, dass Selena fortan ihrem Freund Ted Carter (David Nelson) nicht mehr in die Augen schauen kann, weil sie massive Schuldgefühle entwickelt hat. Auch ihre Mutter Nellie leidet derart unter dem Ereignis, dass sie sich kurze Zeit später im Hause Constances erhängt.

Neben diesen beiden Hauptkonflikten des Films zeigt Robson in einer weiteren Nebenhandlung die Auseinandersetzungen zwischen dem Fabrikbesitzer Harrington (Leon Ames) und seinem Sohn Rodney (Barry Coe), der in die schöne, aber etwas oberflächlich wirkende, nicht aus besonders gutem Hause stammende Mitschülerin Betty (Terry Moore) verliebt ist. Harrington zwingt seinen Sohn, von jeglichen Heiratsabsichten gegenüber Betty Abstand zu nehmen. Er müsse eine seinem Stand gemäße Frau heiraten; mit Betty könne er sich ja heimlich treffen.

Und dann ist da noch der Schüler Norman Page (Russ Tamblyn), ein Außenseiter, ein stiller junger Mann, der die meiste Zeit in der Schulbibliothek verbringt, um seiner herrschsüchtigen Mutter (Erin O’Brien-Moore) aus dem Weg zu gehen, die ihm jeglichen Kontakt zu Mädchen verboten hat. Allison mag Norman, und beide verbringen viele Stunden in der nahen Umgebung, um miteinander über ihre Probleme zu reden.

Die Kleinstadt wird langsam aber sicher zu einem Pulverfass, das jeden Moment explodieren kann, ohne dass den Beteiligten dies bewusst wäre. Als Allison bei einem erneuten Streit mit ihrer Mutter erfährt, dass sie ein uneheliches Kind ist, ihr Vater mit einer anderen Frau verheiratet war und ihre Mutter mit ihm in „wilder Ehe“ gelebt hatte, verlässt sie gekränkt und enttäuscht von ihrer Mutter ihre Heimat und geht nach New York, um als Schriftstellerin oder Journalistin ihr Glück zu versuchen. Für Selena wird alles noch tragischer. Als Cross in die Stadt zurückkehrt und gegen Selena vor den Augen ihres kleinen Bruder gewalttätig wird, erschlägt sie ihren Stiefvater und vergräbt ihn aus Angst und Schamgefühlen im Wald. Selena kann dies eines Tages nicht mehr für sich behalten und erzählt Constance von der Tat. Es kommt zum Prozess, und Selena verlangt von Dr. Swain, über den Hintergrund der Tat, die Vergewaltigung, zu schweigen. Sie riskiert lieber ihr Leben, als dass die Wahrheit ans Tageslicht kommt. Allison kehrt, als sie vom Prozess erfährt, zurück, meidet aber eine Begegnung mit ihrer Mutter. Und Betty muss erfahren, dass ihr Freund Rodney, der mit vielen anderen jungen Männer zur Armee eingezogen wurde, im Krieg gefallen ist ...

Ganz sicher würde man eine solche Geschichte heutzutage anders inszenieren. Für die 50er Jahre jedoch muss man den Film als eine – übrigens durchaus spannend gedrehte – zumindest begrenzt die Fassade einer typischen kleinbürgerlichen Atmosphäre herunter reissende Tragödie begreifen, die das klischeebeladene Selbstverständnis des Milieus in mancher Hinsicht gnadenlos desavouiert. Allein schon die Thematisierung der Vergewaltigung, vor allem aber die kritische Aufdeckung der Tabuisierung auch anderer Konflikte wie Standesdünkel, uneheliche Herkunft, Übertragung von Elternkonflikten auf die Erziehung von Kindern, waren für diese Zeit in Hollywood nicht gerade selbstverständlich – vor allem wenn man bedenkt, dass selbst Hitchcock z.B. in „Der falsche Mann” (1956) gegen seinen Willen dem Film einen positiven Schluss verpassen musste.

Dabei fungieren zwei Männer und eine Frau als aufgeklärte Individuen, denen die Rolle zukommt, die Konflikte aufzudecken – obwohl sie selbst Fehler begehen und teilweise an der alles zu beherrschen scheinenden, in der Mentalität der Menschen verinnerlichten Tabuisierung mitwirken. Da ist der Rektor Rossi, der zunächst nicht erkennt, wie tief der Konflikt ist, in dem Constance steckt, aber beharrlich daran arbeitet, ihn aufzudecken. Da ist Dr. Swain, der Selena hilft und erst spät, allerdings nicht zu spät im Prozess die Wahrheit sagt. Und nicht zuletzt ist da Allison, die vor dem Konflikt mit ihrer Mutter zwar flieht, aber letztlich doch ein Gefühl dafür entwickelt, diesem Konflikt nicht auf immer auszuweichen zu dürfen.

Robson verpackt diese Geschichte in die Form eines „leichten” Melodramas; sein Film ähnelt in vielerlei Hinsicht den Werken Douglas Sirks. Und sicherlich ist es gerade dieses Subgenre, das es Regisseuren der 50er Jahre am besten ermöglichte, derartige Geschichten so zu erzählen, dass sie nicht selbst Gefahr liefen, der Tabuisierung gesellschaftlicher und privater Konflikte zu verfallen.

Der „gute” Ausgang der Geschichte – die Wiederherstellung der Gemeinschaft im Ort, sicherlich von Hollywood auch so gewollt – ist daher durchaus zwiespältig. Ein Vater, Harrington, erkennt zu spät seine Fehler gegenüber seinem Sohn, der im Krieg gefallen ist. Selena muss mit dem wohl schwersten Verbrechen, das einer Frau angetan werden kann, leben.

Für derartige melodramatisch verpackte Geschichten muss man sicherlich so etwas wie ein „Faible” haben, einen gewissen, auch emotionalen Zugang. Den habe ich, und deshalb liebe ich Sirks Filme und auch diesen Streifen von Mark Robson.

© Bilder: 20th Century Fox
Screenshots von der DVD