Good Will Hunting
(Good Will Hunting)
USA 1997, 126 Minuten
Regie: Gus Van Sant

Drehbuch: Matt Damon, Ben Affleck
Musik: Danny Elfman
Director of Photography: Jean Yves Escoffier
Montage: Pietro Scalia
Produktionsdesign: Missy Stewart

Darsteller: Robin Williams (Sean Maguire), Matt Damon (Will Hunting), Ben Affleck (Chuckie Sullivan), Stellan Skarsgård (Gerald Lambeau), Minnie Driver (Skylar), Casey Affleck (Morgan O’Mally), Cole Hauser (Billy McBride), John Mighton (Tom), Rachel Majorowski (Krystyn), Colleen McCauley (Cathy), Matt Mercier, Ralph St. George, Rob Lynds, Dan Washington (Barbershop-Quartett), Alison Folland (M.I.T.-Student)

Glatt, aber sauber

Ab und zu sieht man Filme, bei denen alles zu stimmen scheint – die Schauspieler überzeugen, die Psychologie scheint zu stimmen, die Handlung hat Logik und Stringenz, die Bilder sind faszinierend, und die Geschichte erscheint glaubwürdig und realistisch. Und trotz alledem beschleicht einen irgendwie ein Gefühl von zu viel Zufriedenheit, zu viel Logik und erfüllten Erwartungen. Der Film sättigt, man ist danach zufrieden. Aber irgend etwas lief zu glatt. So ging es mir bei dem von Matt Damon und Ben Affleck geschriebenen und gespielten „Good Will Hunting“ – was nicht bedeutet, der Film sei schlecht.

Boston, Harvard. Der 21-jährige aus dem Arbeitermilieu stammende Will Hunting (Matt Damon) putzt die Flure der renommierten Universität, an der u.a. Prof. Gerald Lambeau (Stellan Skarsgård) Mathematik lehrt. Lambeau, ein sympathischer und charmanter Lehrer, stellt seinen Studenten ab und zu schwierige Aufgaben, die er an die Tafel vor dem Hörsaal zeichnet. Will, der seine Freizeit in Kneipen und auf der Straße mit seinem besten Freund Chuckie (Ben Affleck), Morgan (Casey Affleck) und einigen anderen verbringt und sich ab und zu in Schlägereien verstrickt, hat ein photographisches Gedächtnis. Er löst heimlich die Aufgaben Lambeaus, als wenn es ein Kinderspiel wäre. Lambeau überrascht Will eines Tages dabei, doch Will macht sich aus dem Staub. Zudem muss er vor Gericht, weil er einen Widersacher aus früheren Jahren krankenhausreif geschlagen hat.

Der Richter kennt kein Pardon. Will ist nicht das erste Mal mit dem Gesetz in Konflikt. Lambeau erreicht, dass Will unter zwei Voraussetzungen frei kommt. Er muss sich einmal pro Woche mit Lambeau treffen, um schwierige mathematische Probleme zu diskutieren. Und der Richter verlangt, dass er eine Therapie durchführt, ebenfalls eine Sitzung pro Woche. Fünf Psychologen lässt Will glatt abblitzen. Da erinnert sich Lambeau an seinen alten Freund Sean Maguire (Robin Williams), der am Bunker Hill Community College lehrt.

Auch Maguire hat anfangs extreme Probleme mit Will, der gegen ihn und eine Therapie rebelliert, die er für absolut unnötig hält. Will ist nicht nur in der Lage, mathematische Probleme zu lösen; er kennt sich auch in Geschichte, Rechtswissenschaft und einigen anderen Dingen bestens aus. Seine Wortgewandtheit und Belesenheit benutzt er, um niemanden zu nahe an sich heran zu lassen. Auch die Studentin Skylar (Minnie Driver) bekommt dies zu spüren. Skylar verliebt sich in Will, Will findet die junge Frau sympathisch. Doch als sie ihn bittet, mit ihr nach Kalifornien zu gehen, weicht Will wieder einmal zurück.

Maguire findet trotzdem einen Weg, Will aus der Reserve zu locken. Nur Lambeau steht ihm dabei im Wege, der nichts anderes im Sinn zu haben scheint, als Wills Genialität für die Zwecke der Universität zu nutzen ...

Sehr rasch liegen die personellen Konstellationen und Konflikte in „Good Will Hunting“ auf dem Tisch. Ein junger Mann aus dem Arbeiterviertel Bostons hat eine seltene Fähigkeit, die ihn beruflich äußerst weit bringen könnte, panzert sich jedoch emotional gegen jegliche Nähe zu anderen ab. Ein äußerst versierter Psychologe, der zwei Jahre zuvor seine Frau, die er über alles geliebt hat, durch Krebs verloren hat, erkennt sehr genau, dass sich Will einen Verteidigungsmechanismus zugelegt hat, dass er Schuldgefühle mit sich herumschleppt, die ihn daran hindern, aus seiner persönlichen und sozialen Lethargie herauszukommen – ein gebremster Underdog, der doch so viel erreichen könnte. Eine junge Frau verliebt sich nicht nur in diesen rebellischen jungen Mann, sie liebt ihn. Ein Kumpel, ein wirklich guter Freund, Chuckie, hält zu Will, auch in schwierigen Situationen, in denen er das Handeln Wills nicht mehr nachvollziehen kann.

Wollte man also böse sein, so müsste man diesen Film in die Kategorie einordnen: Wie bringt man einen intelligenten Underdog dazu, seinen Platz in der sozialen Hierarchie einzunehmen. Der Trick dabei wäre das photographische Gedächtnis, gegen dessen Existenz kein Kraut und kein Argument gewachsen sind. Das hat man oder eben nicht. Zudem rät Chuckie Will, seine Chance wahrzunehmen, um dem Leben aus Gelegenheitsarbeit und Kneipentouren Adieu zu sagen. Haben wir es also in diesem Film mit Bildungsdarwinismus pur zu tun? Geht es hier um die alte amerikanische Geschichte des sozialen Aufstiegs, der niemand verwehrt ist, wenn er nur kann und will? Und das einzige, was in diesem Fall im Wege steht, ist Wills psychischer Mangel, sein Panzer, den er sich aufgrund familiärer Konflikte in der Kindheit zugelegt hat.

Die Glätte, mit der die Geschichte über Will Hunting erzählt wird, die routiniert inszenierte Logik der Handlung, die extreme Wortlastigkeit und Dialogfreudigkeit des Films deuten auf, fast könnte man schon sagen: pädagogische Absicht hin. Man führt vor und das Publikum wird vorgeführt, bestätigt in seinen diesbezüglichen Erwartungen. Genau diese Glätte hat mich an etlichen Stellen des Films gestört. Allerdings trügt der Schein in bezug auf die vermutete Intention. Denn Will entscheidet sich am Schluss anders, als diese Erwartung vermuten lässt.

Nicht nur das. Die Gespräche wie das Schweigen zwischen Will und Maguire in ihrer wöchentlichen Sitzung, der Konflikt zwischen Maguire und seinem Freund Lambeau, die Einzelheiten, die man dabei vor allem über Lambeau selbst und zunächst weniger über Will Hunting erfährt, zielen nicht in Richtung sozialer Aufstieg. Maguire sagt in einer dieser Sitzungen zu Will: „Du weißt alles über Michelangelo und die Renaissance. Aber ich wette, Du weißt nicht, wie die Sixtinische Kapelle riecht.“ Will „weiß“ und panzert seine Gefühle ab. Sein Kopf arbeitet, sein Herz scheint still zu stehen. Maguire hat eine glückliche Liebesbeziehung zu seiner Frau hinter sich und will selbst den Schmerz über ihren Tod nicht missen, weil er dann diese Zeit mit ihr aus seinem Herzen und seinem Gedächtnis streichen müsste. Hier liegt der zentrale Punkt der Geschichte über Will Hunting und Sean Maguire. Will hat gestrichen, zumindest hat er es versucht. Und solche Versuche kulminieren in Schuldgefühlen und Abwehrmechanismen.

Auch wenn dieser Konflikt im Film manchmal nach Lehrbuch-Psychologie riecht, ist es Robin Williams und auch Matt Damon zu verdanken, dass er überwiegend lebendig und glaubhaft entwickelt wird. Die Dialoge zwischen beiden sind spannend, vor allem aber Williams Verkörperung der Rolle des Psychologen sorgt für Nähe und Wärme.

Die Moral von der Geschichte ist nicht einfach die Entdeckung „der Liebe“. In allererster Linie lernt sich Will selbst kennen und fühlen, bekommt eine Ahnung davon, worauf es letztlich ankommt – egal ob er nun irgendwann doch Mathematik-Professor werden sollte, Hochseefischer, Schriftsteller oder Kaninchenzüchter.

Die Geschichte, die „Good Will Hunting“ erzählt, ist also absehbar, sauber und glatt geschrieben; es fehlt manchmal ein bisschen Pfeffer hier, ein bisschen Salz dort. Das tat dem Genuss allerdings keinen Abbruch, ich jedenfalls konnte mich auf diese Geschichte einlassen, in die Handlung eintauchen und den Personen nachempfinden. Was will man (manchmal) mehr?

© Bilder: Miramax Films