Matrix (1999)
Matrix Reloaded (2003)
Matrix Revolutions (2003)





Matrix
(The Matrix)
USA 1999, 136 Minuten
Regie: Andy Wachowski, Larry Wachowski

Drehbuch: Andy Wachowski, Larry Wachowski
Musik: Don Davis
Director of Photography: Bill Pope
Montage: Zach Staenberg
Produktionsdesign: Owen Paterson

Darsteller: Keanu Reeves (Thomas A. Anderson / Neo), Laurence Fishburne (Morpheus), Carrie-Ann Moss (Trinity), Hugo Weaving (Agent Smith), Gloria Foster (Oracle), Joe Pantoliano (Cypher / Mr. Reagan), Marcus Chong (Tank), Julian Arahanga (Apoc), Matt Doran (Mouse), Belinda Mc.Clory (Switch), Anthony Ray Parker (Dozer), Paul Goddard (Agent Brown), Robert Taylor (Agent Jones), David Aston (Rheinheart), Marc Gray (Choi)

Die Visualisierung der Realität als Realität

Als „Matrix“ mit seinem spannenden Showdown endete und sich die adrenalintreibende Atmosphäre wie eine Wolke über mir langsam aufgelöst hatte, ich ausatmen konnte, mich zurücklehnen, fragte ich mich, was jetzt eigentlich mit den Millionen Menschen geschehen würde, die aus dem Software-gesteuerten Raum der Imagination einer virtuellen Welt wie aus einem Traum erwachen und in ein reales Leben zurückkehren, in eine Welt, in der alles zerstört ist. Oder sind solche Fragen nicht berechtigt? „Matrix“ ist selbst ein Traum, würde ich sagen, ein Traum gesponnen aus mythologischen, religiösen und märchenhaften Elementen, ein Gebräu aus Angst, auch und vor allem existentieller Angst in einem „zu Ende gedachten“ Cyberspace, in dem sich die Fronten verkehrt haben – ein Hirngespinst, das weniger auf einer Prophezeiung aufbaut, sondern eher mit der Gegenwart spielt, sein Spiel treibt, die Regeln der eigenen Kultur ins Extreme anwendet und die Gelegenheiten dazu ausreizt, unsere Wahrnehmung unserer Kultur einer gründlichen Revision unterzieht oder zumindest die Möglichkeit dazu bietet.

Eine Nachtgestalt. Thomas Anderson (Keanu Reeves) ist tagsüber ein braver Computerexperte, nachts dagegen als Neo ein gefürchteter Hacker. Neo treibt ein ungutes Gefühl umher. Ein Gefühl, das sich auf etwas bezieht, mit dem er nicht wirklich etwas anfangen kann, genannt „Matrix“, ein mysteriöses Computerprogramm, hinter dessen Geheimnis er nicht kommt. Und dann ist da noch eine Gestalt, die von den Behörden als Terrorist bezeichnet wird und im Zusammenhang mit der Matrix steht, Morpheus (Laurence Fishburne).

Der nimmt über eine Frau namens Trinity (Carrie-Anne Moss) Kontakt mit Neo auf. Trinity ist mit knapper Not, gewagten Sprüngen und schier unglaublichen Schlägen und Ausweichmanövern gerade der Polizei und dem Agenten Smith (Hugo Weaving) entkommen. Jetzt warnt sie Neo vor der Polizei und dem Geheimdienst. Tatsächlich können Smith und seine Gehilfen Brown und Jones (Paul Goddard, Robert Taylor) – trotz der Fluchthilfe durch Morpheus per Handy – Neo festnehmen. Smith wirft ihm Verbrechen vor im Zusammenhang mit Neos Hackertätigkeit, verweigert ihm anwaltliche Hilfe. Statt dessen wächst Neo plötzlich auf unerklärliche Weise der Mund zu. Smith lässt ein metallenes Insekt in seinen Bauchnabel kriechen, über das Neo kontrolliert werden soll.

Als er am nächsten Tag wie aus einem Alptraum erwacht, holen ihn Trinity und ihre Leute mit dem Wagen ab, befreien ihn von dem Untier in seinem Bauch mit Hilfe einer Spezialapparatur und bringen ihn zu Morpheus. Der erzählt Neo etwas Unglaubliches: Die Welt, die er kenne, sei eine rein virtuelle Welt, gesteuert über ein Computerprogramm, das den Menschen nur Realität vormache. Neo habe die Wahl: Er könne eine blaue Pille schlucken, wodurch er Morpheus und seine Freunde wieder vergessen würde und in der virtuellen Welt „normal“ weiterleben könne, oder eine rote Pille, durch die er befähigt werde, die Wahrheit zu erfahren.

Neo schluckt rot und durchlebt eine grausige, reinigende, furchterregende Wiedergeburt in einem schleimigen Kokon als Mensch aus Fleisch und Blut. Er sieht dahinfließende Spiegel, verliert Haare und erwacht völlig geschwächt und von Muskelschwund befallen in der Realität. Jetzt erzählt ihm Morpheus von der Matrix, einer Computersimulation, entstanden durch die Machtübernahme intelligenter Computersysteme 200 Jahre zuvor, die die Welt zerstörten und seither Menschen in riesigen Stationen züchten, ernährt durch Schläuche, Menschen, die ihnen als Energiespender dienen und deren geistiges Leben in der Illusion der Matrix stattfindet. In Neo sieht Morpheus den Auserwählten, der ihm einst von einem Weltenretter vor dessen Tod prophezeit wurde, der die Menschheit aus der Matrix-Illusion befreien wollte.

Der technisch hochgerüstete Gefängniswärter Smith und sein Software-Geheimdienst jedoch sind Neo, Morpheus und den anderen immer dicht auf den Fersen. Es beginnt ein Kampf auf Leben und Tod. Smith hat dabei nicht nur einen Vorteil. Unter anderem kann er auch auf einen Gefährten von Morpheus rechnen, der den ständigen Kampf gegen die Matrix satt hat ...

Die Brüder Wachowski bedienten sich bei ihrem Hyper-Cyberspace-Adventure nicht nur ausgefeilten digitalen Animationen mit exzellenten Kampfszenen, rasanten Verfolgungsjagden und der v.a. in Grüntönen gestalteten Visualisierung einer virtuellen Welt, die es in sich hat. Sie nutzten Versatzstücke aus Mythologie, Religion und Märchen und bauten diese zu einem homogenen, überzeugenden Drama aus. Als da sind: Orpheus in der Unterwelt (Morpheus), der Erlöser (Neo), die Judasgestalt (Cypher), das Orakel von Delphi (das Orakel in Gestalt einer Hausfrau!), die Wächter der Unterwelt (künstliche Wächter, die die Matrix schützen), der Dornröschen-Kuss (der Neo aus dem Tod zurückholt). Orpheus hatte bekanntlich seine Gattin Eurydike verloren. Nur sein Gesang konnte Pluto in der Unterwelt bewegen, ihm seine Gattin zurückzugeben, unter der Bedingung, dass sich Orpheus nicht umdrehen durfte, bis er wieder in die Oberwelt gelangt war. Als jedoch Licht in die Grotte fiel, sah er sich um und verlor Eurydike für immer. Morpheus hat seine Welt verloren und den Befreier, der vor langer Zeit verstorben ist. Das Orakel verkündete seine Weissagungen in Form von Sprüchen oder Zeichen, meist zweideutig und in Reimform verkündet. Das Orakel in „Matrix“ (Gloria Foster) verkündet Neo, das entweder er oder Morpheus sterben werden. (Allerdings kommt alles etwas anders.)

Der Bezug auf diese mythologischen und religiösen Figuren wirkt dabei jedoch nicht künstlich. Geschichte und Handlung sind in sich stimmig. „Matrix“ hält alle Regeln des Dramas gekonnt ein (Einheitlichkeit von Ort, Zeit und Handlung) und kann durch überraschende Wendungen und rasante „Fahrten“ durch die virtuelle wie reale Welt der Rebellenstation – ein Schiff namens Nebukadnezar – Spannung en masse erzeugen – nicht zuletzt auch durch die düstere Atmosphäre, die das Auge des Betrachters fesselt und die Pulsfrequenz deutlich steigert.

Die Action-Szenen sind eines John Woo in jeder Hinsicht würdig. Die Darstellung der Software-simulierten Jäger, der Men in Black Smith usw., die alle irgendwie gleich aussehen und mit schwarzen Sonnenbrillen verbergen, dass sie (fast) alles sehen, was ihre Gegner treiben, ist überzeugender Kontrast zu den seit langen Jahren gegen die Matrix kämpfenden, teils verzweifelten, größtenteils aber ehrgeizigen Rebellen, die wissen, welchen Gefahren sie ausgesetzt sind, doch in Solidarität kämpfen.

Das Paradoxe dieser zweigeteilten Welt – einer zerstörten, hässlichen Welt mit den Überresten der Zivilisation und einer virtuellen, die der früheren nachgebildet ist – besteht darin, dass hier eben nicht verfeindete Mächte mit Menschen aus Fleisch und Blut auf beiden Seiten gegeneinander kämpfen. Gut und Böse teilt sich in verletzbare, in Körper und Geist „geteilte“ Menschen hier, „saubere“ Computerprogramme, die intelligent und lernfähig sind, dort. Ein bisschen erinnert mich die Situation an die Philosophie in „2001: A Space Odyssee“, als sich HAL 9000, die hochintelligente, sensible Software, verselbständigt und sich gegen seine Erschaffer wendet.

Die Matrix ist jedoch im Unterschied zu HAL nicht auf Emotionen programmiert. Nach allem, was man sieht, strebt sie nach nichts anderem als totaler Herrschaft über die Erde, saugt aus Menschen-Klonen Energie und stellt ihren Geist „still“ durch eine verzauberte, aber zugleich brutale virtuelle Welt.

Zukunftsmusik? Wie musste diese Software programmiert sein, um selbständig werden zu können? Morpheus: „Matrix ist die Wolle, die Dir über die Augen gelegt wurde – damit Du ein Sklave bist.“ Die Blendung funktioniert (fast) perfekt. Die Matrix-Welt ähnelt auf’s Haar der Welt davor. Nur Neo hat anfangs eine dunkle Ahnung, dass mit seinem Leben etwas nicht stimmt. Nur Morpheus und seine Freunde sind in der Lage, den totalen Zauber der Bilder zusammen mit Neo wegzureißen. Es sind diese Bilder einer als real erscheinenden Welt, die Schein und Wirklichkeit ineinander verschwimmen lassen. (Cypher, dem Judas, dem Verräter, ist inzwischen sogar der Schein lieber als die Realität. Er bedauert, nicht die blaue Pille geschluckt zu haben.)

Es ist dieser Bilderzauber, durch den „Matrix“ in gewisser Weise eher einen Bezug zur Gegenwart hat, denn Sciencefiction ist. Sciencefiction sind die Geschichte, die Handlungsabläufe, die Figuren, die Technologien. Die Bilderflut ist harte Realität, wenn auch im Film entfremdet und verfremdet in eine inszenierte Zukunftsgesellschaft. Das Übergewicht der Bilder in einer multimedial überfrachteten Gesellschaft aber hat knallharten Bezug zur Gegenwart. Reflexion lebt von einem „gesunden“ Ausgleich zwischen Visuellem hier, Wort bzw. Schrift dort. Bekommt das Visuelle Übergewicht, herrscht das Bild, das mediale Veranstalter von der Realität vermitteln, über diese Realität selbst. Man kennt dies nicht nur aus den Kriegen der vergangenen Jahrzehnte (etwa der Visualisierung und dem dadurch bewirkten Betrug bezüglich der Realität der beiden Golfkriege Anfang der 90er Jahre). Es ist beispielsweise auch eine kulturelle, kulturbedingte „Modeerscheinung“, sich ein „Bild“ vom anderen zu zaubern, dem dieser zu entsprechen hat. Für uns ist dies Normalität, selbstverständlich. Ist es aber nicht. Es ist Zeichen der Kultur, an der wir täglich wie an einem Satz mitschreiben.

Man muss nicht alles glauben, was geschrieben steht, aber fast alle glauben heute, was sie „mit eigenen Augen“ sehen. „Ich behaupte, dass sowieso alles nur ein einziger Text ist; vielleicht so etwas wie ‘ein Roman der Wahrnehmung unserer Zeit’. Das bedeutet natürlich auch, dass es keine Genregrenzen gibt. Ob ich über Film schreibe oder über Politik, ist im Grunde genommen dasselbe. Es geht immer um die Glocke der Bilder, unter der wir uns befinden, aus der – wie ich hoffe – auch immer noch ein Weg hinausführt. Ich mag und liebe diese Bilder zwar, ich weiß aber auch, dass sie ein virtuelles Gefängnis sind“, äußerte der Filmkritiker Georg Seeßlen in einem Interview mit der Zeitschrift F.LM. Das aber gilt für uns allen nicht nur für Filmkritiker. Und: „Man könnte es vielleicht so sagen: Das Bild ist eine Befreiung aus dem Gefängnis der Schrift und die Schrift ist die Befreiung aus dem Gefängnis der Bilder. Nur, wenn man permanent zwischen diesen beiden Bereichen in Bewegung ist, hat man die Chance, noch irgend etwas zu dem alten Projekt der Aufklärung beizutragen“ (1).

„Matrix“ veranschaulicht diese Glocke der Bilder durch Projektion in einen Sciencefiction. Ein Kraftakt ist nötig, um Neo davon zu überzeugen, das er geistig nur virtuell existiert. Er muss „wiedergeboren“ werden, seinen Körper an sich ziehen und nicht zuletzt durch Erklärungen, durch Vernunft, durch Beweise, durch ein ganz anderes Hinsehen davon überzeugt werden, dass die Realität anders aussieht, als er sich das je gedacht hat. Es gibt einen Moment, in dem Neo sich in einem Zustand des „Patt“ befindet: Welchem Bild und welchen Worten soll er glauben? Seiner Erfahrung, „seinen“ Bildern oder dem „Fremden“, den Worten Morpheus?

„Matrix“ – ein Kultfilm?. „Matrix“ – einer der besten Sciencefiction? „Matrix“ – ein „geordnetes Schema von Werten, für das bestimmte Rechenregeln gelten“ (Duden)? Für mich war „Matrix“ immer auch eine kulturelle Zustandsbeschreibung, wie dargelegt, die von den Wachowskis in einer selten erreichten atmosphärischen Dichte innerhalb eines homogenen Handlungsablaufs genug Anlass zu Reflexion über eine Welt gibt, in der das Visuelle, die Visualisierung der Realität selbst eine mächtige „Realität“ geworden ist.

(1) „Für die Ewigkeit, aber nicht unbedingt für morgen“. Interview mit Georg Seeßlen über die Rolle und Zukunft der Filmpublizistik, in: http://www.f-lm.de.vu/ (III. F.LMSCHRIFT - Blätter)



Matrix Reloaded
(The Matrix Reloaded)
USA 2003, 136 Minuten
Regie: Andy Wachowski, Larry Wachowski

Drehbuch: Andy Wachowski, Larry Wachowski
Musik: Don Davis
Director of Photography: Bill Pope
Montage: Zach Staenberg
Produktionsdesign: Owen Paterson, Hugh Bateup, Catherine Mansill, Charlie Revai, Jules Cook, Mark Mansbridge

Darsteller: Keanu Reeves (Neo), Laurence Fishburne (Morpheus), Carrie-Ann Moss (Trinity), Hugo Weaving (Agent Smith), Jada Pinkett Smith (Niobe), Gloria Foster (Das Orakel), Monica Bellucci (Persephone), Collin Chou (Seraph), Nona Gaye (Zee), Randall Duk Kim (Der Schlüsselmacher), Harry J. Lennix (Commander Lock), Harold Perrineau Jr. (Link), Neil Rayment (Zwilling 1), Adrian Rayment (Zwilling 2), Lambert Wilson (Merovingian), Anthony Wong (Ghost), Anthony Zerbe (Senator Hamann), Helmut Bakaitis (Der Architekt)

Nachgeladen, aber wie?

„Matrix“ war 1999 eine Sensation – visuell, filmhistorisch (kann man heute fast schon sagen), der Look, die Geschichte, ja die verkehrte Welt, die die Wachowskis dem Publikum präsentierten, schlugen ein wie eine Bombe. Eine vor allem in Grün und Schwarz gehaltene Welt, in der Morpheus (Laurence Fishburne), einer der wenigen Menschen im Kampf gegen eine von hochentwickelten Maschinen beherrschte Welt, Neo (Keanu Reeves) in die Geheimnisse dieser Matrix einführt und in ihm den Erlöser sieht, der allein in der Lage ist, den Kampf gegen die Maschinen zu gewinnen – eine Welt, in der die Körper von Menschen als Energiereservoir dienen, während ihrem Geist eine normale Welt vorgegaukelt wird, die jedoch rein virtuellen Charakter hat.

Zumindest eines bewirkte „Matrix“. Der Film dokumentierte eine Welt, in der das Visuelle sich verselbständigte und die Unterscheidung zwischen Fiktion und Realität nicht mehr eindeutig gelingen konnte – eine Thematik, die mehr mit unserer Gegenwart als mit einer fernen Welt oder Phantasien zu tun hat.

Jetzt dient „Matrix“ als Werbeträger u.a. für Trinkbares. Agent Smith (Hugo Weaving) wird zur Witzfigur der Werbebranche, und der Rummel, der um das Sequel getrieben wurde und wird und auch um den dritten Teil, der im November 2002 folgen wird, holt das Kino von seinem Anspruch als Kunst- und Kultstätte, als Ideenlieferant und Phantasieproduzent wieder zurück in die Niederungen des ökonomisch beherrschten Alltags und der Banalität der Geschäftstüchtigkeit.

„Matrix Reloaded“ ist ein guter Sciencefiction, die nicht besonders reizvoll gelungene Fortsetzung von „Matrix“ auf inhaltlich mittelmäßiger Ebene und eben keine filmische Revolution. Vielleicht haben die Wachowskis das auch nicht beabsichtigt.

Zum Inhalt des Sequels sei nur so viel verraten: Der Kampf geht weiter. Zion, die letzte Zufluchtsstätte der befreiten Menschen, ist in Gefahr, von den Maschinen unter Führung eines zigmal geklonten Agent Smith und anderer Software-Übeltäter, u.a. der weißhaarigen, langmähnigen Zwillinge (Neil und Adrian Rayment) endgültig zerstört zu werden. Im Kreis der Verteidiger herrscht Zwist. Während Commander Lock (Harry J. Lennix), der Vorgesetzte von Morpheus und mit dessen Ex-Partnerin Niobe (Jada Pinkett Smith) liiert, alle Kampfeinheiten auf die Verteidigung von Zion konzentrieren will, glaubt Morpheus weiterhin an die Prophezeiung und die Weissagungen des Orakels (Gloria Foster) – und damit auch an die zentrale Rolle von Neo als Erlöser. Der Senat erlaubt Morpheus, gegen den Willen von Lock den Kampf gegen die Maschinen in der virtuellen Welt weiterzuführen.

Ein gewisser Merovingian (Lambert Wilson) soll wissen, wo sich der Schlüsselmacher (Randall Duk Kim) befindet, der im wahrsten Sinn des Wortes die Schlüssel zur Zentrale des „Maschinenparks“ besitzen soll. Allerdings weigert sich Merovingian, Neo, Morpheus und Trinity den Weg zum Schlüsselmacher zu zeigen. Seine Partnerin Persephone (Monica Bellucci) denkt da anders ...

Sequels haben es bekanntlich nicht leicht. Nur selten gelingt eine auch nur annähernd qualitativ vergleichbare Leistung, so etwa beim zweiten Teil von „Der Pate“ und bei „Aliens“ als Sequel von „Alien“. „Matrix Reloaded“ leidet aber nicht nur unter dem Erfolgszwang des Sequels. Die Geschichte, die der Film erzählt, ist auf eine enttäuschende Art wenig spannend und bietet gegenüber Part One kaum etwas originell Neues. Nebenschauplätze wie die Konkurrenz zwischen Morpheus und Lock oder das Tauschgeschäft zwischen Persephone und Neo (sie liefert den Schlüsselmacher gegen einen Kuss von Neo, so wie Neo Trinity küssen würde) tragen zur Handlung nichts bei. Der erste Teil, der sich u.a. mit den Auseinandersetzungen unter den Commandern beschäftigt, ist langatmig und endet mit einer Rede von Morpheus vor den Menschen in Zion, die an trivialer Dialogfreudigkeit kaum zu überbieten ist, auch wenn diese Szene visuell beeindrucken kann. Das Mysteriöse, Rätselhafte, lange Zeit Unbekannte, das „Matrix“ auszeichnete, etwa auch die Rolle des Orakels, verkommt im Sequel zu Star-Wars-ähnlichem Geplänkel, wie der Film überhaupt eher an eine Geschichte von George Lucas erinnert als an die Fortsetzung von „Matrix“. Dieser Vergleich soll nicht bedeuten, dass „Matrix Reloaded“ ein schlechter Film sei. Er ist nur keine angemessen qualitative Fortsetzung von „Matrix“.

Die Wachowskis legten sehr viel Wert auf Verfeinerung und Ausbau der Actionsequenzen, der digitalen Tricks, der Kampfszenen, aber sie vernachlässigten die Idee des Projekts und seine Geschichte. Hervorzuheben sind eine Verfolgungsjagd von 14 Minuten über den Highway, eine Kampfszene zwischen Neo und Agent Smith in Mehrfachanfertigung (an die 100 Agents) sowie die Einführung einer neuen Figur, dem Erfinder der Matrix, genannt „Der Architekt“, die Stoff für den dritten Teil liefert.

„Matrix Reloaded“ wäre „ohne“ „Matrix“ ein (bei wenigen Abstrichen) exzellenter Sciencefiction, der anderen Erfolgen des Genres in nichts nachstehen würde. „Mit“ „Matrix“ ist der Film nur ein mäßiges Sequel, was vielleicht auch die Schwierigkeiten dokumentiert, die in einer Trilogie oftmals der zweite Teil mit sich bringt. So ist das Ende von „Matrix Reloaded“ in jeder Hinsicht offen gelassen; man befindet sich sozusagen mitten in der entscheidenden Schlacht.



Matrix Revolutions
(The Matrix Revolutions)
USA 2003,129 Minuten
Regie: Andy und Larry Wachowski

Drehbuch: Andy und Larry Wachowski
Musik: Don Davis
Director of Photography: Bill Pope
Montage: Zach Staenberg
Produktionsdesign: Owen Paterson, Jules Cook, Catherine Mansill, Charlie Revai

Darsteller: Keanu Reeves (Neo), Laurence Fishburne (Morpheus), Carrie-Ann Moss (Trinity), Hugo Weaving (Agent Smith), Jada Pinkett Smith (Niobe), Mary Alice (Das Orakel), Tanveer Atwal (Sati), Monica Bellucci (Persephone), Ian Bliss (Bane), Collin Chou (Seraph), Nona Gaye (Zee), Nathaniel Lees (Mifune), Harry J Lennix (Commander Lock), Harold Perrineau Jr. (Link), Bruce Spence (Trainman), Clayton Watson (The Kid), Bernard White (Rama), Lambert Wilson (Der Merowinger), Anthony Wong (Ghost), Daniel Bernhardt (Agent Johnson), Matt McColm (Agent Thompson), Lachy Hulme (Sparks), Helmut Bakaitis (Der Architekt)

Über das Unbehagen in unserer Kultur

Wer Erlösung – und Auflösung – sucht, wird Rätsel finden. Allerorten wird beklagt, der letzte Teil der Matrix-Trilogie biete nicht das, was man sich erhofft hat: Antworten auf die Frage, wie sich die Verhältnisse in dieser Welt nun eigentlich aufklären lassen. Die Sehnsucht nach endgültigen Antworten ist groß und wird durch die Brüder Wachowski so maßlos enttäuschend eben nicht gestillt, dass man sich ärgern könnte. Wenn, ja wenn dies nicht letztlich – für mich jedenfalls – den entscheidenden Vorteil der Trilogie darstellen würde, dass nämlich der Schluss der Geschichte auf den Ausgangspunkt – wenn auch auf einem sozusagen höheren Niveau – Bezug nimmt. Die Unterscheidung zwischen realer und fiktiver Welt ist nicht mehr eindeutig. Die Verselbständigung des Visuellen zu einer eigenen Welt generiert die Unsicherheit der Existenz oder Nichtexistenz dessen, was wir als reale Welt kennen oder glauben zu kennen. Das Phantastische, „rein“ Gedachte, „Eingebildete“, Visionäre, Geglaubte, die Hirngespinste einer andererseits technologisch so ausgeuferten Welt scheinen in ihrer manifesten eigenen Existenz geradezu die „reale“ Welt überwältigt zu haben.

Kurzum: Es bleibt offen, ob es irgendeine Figur – oder wie soll man es nennen – in der Matrix, außerhalb der Matrix, in der Maschinenwelt oder in Zion gibt, der tatsächlich das Prädikat „Mensch“ aufgestempelt werden könnte. Ist Morpheus ein Mensch oder glaubt er es nur und ist „wirklich“ Teil einer riesigen, verschachtelten, komplizierten und komplexen Simulation, in der er nur eine bestimmte, programmierte Funktion im Spiel zu erfüllen hat? Wer aber sind dann die Programmierer? Menschen? Oder auch Maschinen, die sich verselbständigt haben? Das Orakel und der Architekt: Menschen oder Programme? Neo (Keanu Reeves) befindet sich zu Anfang des Films in einer Art „Zwischenwelt“, in der ein gewisser Trainman (Bruce Spence) als Handlanger des bereits aus „Matrix Reloaded“ bekannten Merowingers (Lambert Wilson) sein „Unwesen“ treibt. Morpheus (Laurence Fishburne) ahnt, dass der Erlöser, auf dessen befreienden Akt er sein ganzes Leben gehofft hat, vielleicht auch nur ein Rädchen im Getriebe der Macher der Matrix ist, so dass die Erlösung aus dieser Welt nur eine Erlösung in dieser Welt sein kann – und daher keine. Aber ahnt er auch, möglicherweise selbst nur Teil dieser Fiktion zu sein?

Es ist diese Unsicherheit, dieses Hin- und Her zwischen Hoffnung und Enttäuschung, zwischen der Sehnsucht nach einem handfesten Frieden in einer handfesten Welt, in der man sich an etwas ebenso Handfestem halten kann, und der Angst vor dem Sturz in die Tiefe einer Erkenntnis, die das genaue Gegenteil bedeuten würde, die in „Matrix Revolutions“ – abseits aller Kritik an dem Film im einzelnen – die Ereignisse bestimmt. Diese Kritik im einzelnen könnte man etwa so formulieren: Die Dialoge sind des öfteren allzu flach; das Übergewicht von Action gegenüber den vielfältigen Überraschungen des ersten Teils der Trilogie ist deutlich spürbar; die Figuren wirken oft eher wie Teile eines Schachspiels, z.B. Neo, der im ersten Teil noch eine selbständig handelnde Figur war, während er nun im Rahmen einer übertrieben inszenierten Endzeitstimmung, die auf dem Film schwer lastet, nur noch Bestimmungsfaktor in einem Spiel ist, dass die Wachowskis allzu drastisch in ein mystisch überladenes Spektakel hineintreiben – und so weiter.

Man kann das so sehen und man kann das auch so empfinden. Und teilweise würde ich dieser Kritik folgen. Allerdings berücksichtigt sie nicht, dass vieles (nichts alles) an ihr dem Umstand geschuldet ist, dass die Aufteilung einer solchen Geschichte in drei Filme nur in seltenen Fällen zu einem befriedigenden Ergebnis führt. Schaut man die drei Filme hintereinander, ergibt sich ein etwas anderes Bild, für mich jedenfalls. Die Zuspitzung der Erzählstränge auf eine Art Endzeitstimmung und die Bestimmung der Figuren in Richtung Schachspiel zum Beispiel bedeuten ja eben auch, dass der Eindruck von einer anfänglichen Selbstbestimmung der Handelnden trügerisch war, eine Illusion, die sich am Schluss von „Matrix Revolutions“ auch als solche erweist. Man nehme beispielsweise das Gespräch zwischen dem Architekten (Helmut Bakaitis) und dem Orakel (Mary Alice).

Doch auch in „Matrix Revolutions“ erweist sich anfangs noch vieles als Teil einer realen Welt. Unter Führung von Commander Lock (Harry J. Lennix) versuchen die Einwohner von Zion mit Unterstützung durch Zivilisten wie Zee (Nona Gaye) und Kid (Clayton Watson) dem Ansturm der Maschinen, der Wächter, Stand zu halten, nachdem Trinity (Carrie-Anne Moss) und Morpheus Neo aus der Umklammerung durch den Merowinger befreit haben. Aufgrund von Ratschlägen des Orakels kommt Neo zu der Erkenntnis, in das Zentrum der Maschinenwelt vordringen zu müssen, um dem Krieg ein Ende setzen zu können. Zusammen mit Trinity, die zuvor durch Agent Smith (Hugo Weaving), der sich im Körper von Bane (Ian Bliss), versteckt hatte, fast getötet worden wäre, macht sich Neo auf. Niobe (Jada Pinkett Smith), die an Neo glaubt, stellt ihr Kampfschiff gegen den Widerstand von Lock zur Verfügung, während sie selbst mit Morpheus in einem anderen Kampfschiff über einen Versorgungsschacht versucht, den scheinbar durch nichts aufzuhaltenden Wächtern Herr zu werden.

Der Kampf um Zion, geführt auf seiten der Soldaten mit krakenähnlichen bewaffneten Maschinen, gelenkt von Commander Mifune (Nathaniel Lees) und seinen Leuten, ist ein über sicher mehr als eine halbe Stunde dauerndes, visuell beeindruckendes Spektakel, das mich stark an die besten Zeiten von „Star Wars“, aber auch an den schicksalhaften Endkampf in „Lord of the Rings“ erinnerte. Die Ungetüme, in denen die Soldaten kämpfen, erscheinen als geronnener Ausdruck der gesamten Geschichte von der industriellen Revolution und ihren ersten Maschinen bis zu modernen computergesteuerten Technologien. Der vermeintliche Rest der Menschheit bietet alles auf, um den von ihr erst ermöglichten, verselbständigten, programmierten Welten entgegenzutreten, während Neo im Zentrum der Maschinenstadt deren „Herrscher“ davon zu überzeugen versucht, Agent Smith, einem Programm also, Einhalt zu gebieten, das sich immer weiter zu verselbständigen droht.

Auch der an anderer Stelle gezeigte Zweikampf zwischen Neo und Agent Smith ist nicht nur visuell beeindruckend, sondern zeugt von der die Trilogie jetzt erkennbar durchdringenden Erkenntnis von der Unauflösbarkeit der Diskrepanz zwischen Realität und Fiktion. Gerade dies verursacht nach Sicht des Films eine Art Unbehagen, die meinem Gefühl nach dem Umstand geschuldet ist, in einer Epoche der Rationalität Anspruch auf rationale Antworten zu haben, wo es keine gibt.

Der Film endet eben nicht mit banalen Antworten, wie andernorts zu lesen war („Blickpunkt: Film“), vielleicht mit einer schlichten Feststellung, einem unangenehmen Gefühl und nicht erfüllten Erwartungen, aber nicht mit Banalität. „Matrix Revolutions“ ist für mich ein krönender Abschluss der Trilogie, deren zweiter Teil „Matrix Reloaded“ nicht ganz überzeugen mochte. Ich kann durchaus nachvollziehen, dass andere anders empfinden. Das Unbehagen ist für mich jedenfalls eines unserer Kultur und gegenüber unserer Kultur, in der – gerade auch vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen – ein ausgeprägter „Realitätssinn“ und Rationalitätsglaube (ein nur scheinbar in sich widersprüchliches Begriffspaar) sowie die felsenfeste Überzeugung, alles, aber auch wirklich alles ließe sich auf- und erklären, integraler und scheinbar unumstößlicher Bestandteil unseres Denkens und Handelns geworden sind. Was dabei auf der Strecke bleibt? Die Frage möge jeder für sich beantworten. „Matrix Revolutions“ jedenfalls und die Trilogie insgesamt nähren Zweifel und bohren an den richtigen Stellen. So empfand ich jedenfalls den Film. Das Unbehagen hat sich – abseits der Matrix – längst eingenistet. Vielleicht wollen wir es nur nicht wahrhaben.


 

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