Ring (1998)
The Ring (2002)





Ring
(Ringu)
Japan 1998, 96 Minuten
Regie: Hideo Nakata

Drehbuch: Hiroshi Takahashi, nach dem Roman von Kôji Suzuki
Musik: Kenji Kawai
Director of Photography: Junichirô Hayashi
Montage: Takahashi Nobuyukia
Produktionsdesign: Iwao Saito, Hajime Matsumoto

Darsteller: Nanako Matsushima (Reiko Asakawa), Miki Nakatani (Mai Takano), Hiroyuki Sanada (Ryuji Takayama), Yuko Takeuchi (Tomoko Oishi), Hitomi Sato (Masami Kurahashi), Yoichi Numata (Takashi Yamamura), Yutaka Matsushige (Yoshino), Katsumi Muramatsu (Koichi Asakawa), Rikiya Otaka (Yoichi Asakawa), Masako (Shizuko Yamamura), Daisuke Ban (Dr. Heihachiro Ikuma), Kiyoshi Risho (Omiya, Kameramann), Yuurei Yanagi (Okazaki), Yôkô Ôshima (Reikos Tante), Kiriko Shimizu (Ryomi Oishi), Rie Inou (Sadako Yamamura)

„She can kill just with a thought“

Zwei Teenager, Tomoko (Yuko Takeuchi) und Masami (Hitomi Sato), sitzen in einem grell beleuchteten Raum und Masami erzählt von einem Video, auf dem merkwürdige Dinge zu sehen sind, eine Frau im Spiegel, ein Brunnen, eine Person mit verhülltem Kopf. Einige Jugendliche hätten das Video angeschaut, danach habe das Telefon geklingelt und eine Stimme verkündet, wer das Video gesehen habe, müsse genau eine Woche später sterben. Tomoko erzählt, sie habe das Video ebenfalls mit einem Freund angesehen. Kurze Zeit später ist sie tot.

Dies Geschichte, die der japanische Regisseur Hideo Nakata von dieser Ausgangsposition aus erzählt, wurde kürzlich mit Naomi Watts und Martin Henderson in den Hauptrollen von Gore Verbinski in einem Remake erneut inszeniert, das auf dem inzwischen in Japan als Klassiker geltenden „Ringu“ basiert. Etliche Kritiker bescheinigten Verbinski, der Atmosphäre des Originals sehr nahe gekommen zu sein. Dem kann ich allerdings nicht zustimmen. Nakatas Adaption eines Romans von Kôji Suzuki und Verbinskis Remake ähneln sich in der Wiedergabe der äußeren Ereignisse stark. In der Inszenierung gibt es allerdings erhebliche Unterschiede, die sich auch auf die erzeugte Atmosphäre stark auswirken.

„Come with me to the land of darkness and fire
Frolic in brine, goblins be thine
Follow us across the sea
The quest for Brian continues...
And oh, how we will dance
As the sun sets over the land of the poivrons capsicums

Unravelling mysteries of oppression and doom
Can we ever escape this monster boon?
Salvation may come but what is the consequence?“ [1]

Die Reporterin Reiko Asakawa (Nanako Matsushima) ist entsetzt über den Tod ihrer Nichte Tomoko und ihrer drei Freunde. Einen medizinische Ursache für den Tod der Jugendlichen konnten die Ärzte nicht feststellen. Als Reiko auf Fotos ihrer Nichte erkennt, dass die vier sich in einer Ferienhausanlage aufgehalten hatten, fährt sie dorthin und entdeckt zufällig eine unbeschriftete Videokassette in einem Schrank des Vermieters der Anlage, leiht sich das Tape aus und sieht es – mehr aus Langeweile, denn Interesse – an. Das Telefon klingelt kurz darauf, und auch Reiko wird prophezeit, sie habe nur noch eine Woche zu leben.

Entsetzt bittet sie ihren Ex-Ehemann Ryuji (Hiroyuki Sanada) um Hilfe, der die Geschichte zunächst nicht glaubt. Doch als er sich eine Kopie von Reiko anfertigen lässt und das Band untersucht, findet er Hinweise auf eine Frau, die 40 Jahre zuvor Selbstmord begangen hatte: Shizuko Yamamura (Masako), die auf der Insel Oshima lebte. Shizuko hatte die Fähigkeit, Gedanken zu lesen. Die Zeit drängt, denn auch Reikos siebenjähriger Sohn Yoichi (Rikiya Otaka) hat inzwischen das Video angeschaut. Auf Oshima erfahren Reiko und Ryuji nach und nach mehr über Shizuko, die von einem gewissen Dr. Ikuma wegen ihrer Fähigkeiten öffentlich vorgestellt worden war. Bei der letzten dieser Vorführungen kam es zu einem Todesfall. Dr. Ikuma wurde deswegen von der Universität entlassen. Die zentrale Rolle bei den mysteriösen Ereignissen aber spielen Sadako (Rie Inou), die angebliche Tochter Shizukos, ein Brunnen und ein Mann, der einen Mord begangen hatte. Ryuji und Reiko glauben nun, dem Fluch des Videobandes auf die Spur gekommen zu sein. Aber sie irren sich ...

„Shattering illusions, the cracks appear
The hordes moved closer, and now they are here
In the final slaughter, many will fall
Four and twenty soldiers, and that's not all

Can he save us?

Can you feel the love between us?
Can you taste my heart?
Can you feel the sword between my thighs?

The land where goblins seek to find
Brian and the goblins!“ [1]

Im Vordergrund der Inszenierung Nakatas stehen nicht – wie bei Verbinski – die endlosen Versuche, die mysteriösen Vorkommnisse zu erklären, immer wieder nach neuen Gründen zu suchen, was hier geschieht, also eine aufklärerische, vom Verstand geleitete, kriminalistische Tendenz, die Verbinskis Adaption des Stoffes zu einer Art Thriller werden lässt, über den man aufgrund dieser Tendenzen nur unzufrieden sein kann. Nakata setzt in einer unheimlichen und zugleich selbstverständlich wirkenden Art und Weise die Umstände um die mit dem Tape verbundenen Ereignisse als gegeben voraus. Sie sind auf erschreckende Weise in das Leben derjenigen eingebunden, die innerhalb einer Woche den Tod zu erwarten haben.

Junichirô Hayashis Bilder im Halbdunkel, im grellen künstlichen Licht sind nicht durch die durch das Videoband ausgelösten Ereignisse bestimmt, sondern bilden die „normale“ Umgebung der Figuren. Die Aufnahmen aus der Umgebung der Insel, von einer Autofahrt am Schluss des Films oder der Überfahrt zur Insel Oshima zeigen eine Natur, die zum Teil fast ebenso erschreckend ist wie das, was sich innerhalb einer Woche abspielt. Das Halbdunkel der Realität, die Szenen im Brunnen, am Meer usw. vermischen sich mit den Aufnahmen vom Band, kulminierend in einer Szene, in der Sadako aus dem Fernseher heraussteigt. Die Konturen des Films sind hart, das Spiel der Personen extrem zurückhaltend, sowohl in Mimik wie in Dialogen. Es wird nur das in bezug auf die Geschehnisse Wesentliche gesagt und getan. Fast motorisch, die Emotionen im Zaum haltend angesichts der Zeitnot, spult sich der Countdown des Todes ab. Diese Tendenz des Films wird nur ab und an gebrochen, etwa wenn Ryuji in einer Szene am Brunnen zur Eile drängt und Reiko fast starr vor Angst ist, da nur noch wenige Minuten Zeit bleiben.

Nakata benötigt weder Blut, noch Action. Er setzt auf Angst und Schrecken einer Geschichte, die keiner Erklärung bedarf, weil niemand danach fragen muss. Effektiver als in Verbinskis Interpretation bleibt so der Horror, was er ist: Horror eben. Verbinski stellt den Sohn Reikos (in seinem Film Rachels) ebenso theatralisch mit ins Zentrum der Ereignisse wie er etwa den ebenso theatralischen Selbstmord des Vaters Sadakos (bei Verbinski Samaras) mit Elektrokabeln in der Badewanne als Mittel benutzt, um Tragik zu erzeugen, damit aber scheitert. Es sind die fehlende Erklärungswut und die ebenso fehlende Theatralik, die Nakatas Film glaubwürdiger und effektiver erscheinen lassen. Zudem verzichtet Nakata auch auf Anleihen bei Klassikern des Horrorfilms.

Der kriminalistischen Tendenz Verbinskis, die ständig nach Erklärungen sucht und damit auch den Zuschauer diese Richtung einschlagen lässt, steht als zentraler Aspekt bei Nakata der Schrecken „als solcher“ gegenüber. Das macht „Ringu“ zu einem klassischen, guten Horrorfilm. Und dadurch wirkt auch das Verhältnis zwischen scheinbar harmlosen Situationen, in denen sich die Lage entspannt zu haben scheint, und dem in diese Stille oder Entspannung einbrechenden Schrecken nicht nur glaubwürdiger sondern auch nachhaltiger als bei Verbinski. Denn der Schrecken „bricht“ eigentlich nicht ein, sondern ist stets präsent.

„She can kill just with a thought“ rekurriert allerdings bei Nakata noch auf einen anderen Gesichtspunkt, auf die nahtlosen Übergänge zwischen einer virtuellen und einer realen Welt, deren Differenz kaum noch zu erkennen ist. Die Tote im Brunnen, das, was von ihr übrig geblieben ist, Knochen, Haare im schmutzigen, modrigen Wasser, in dunkler Tiefe, kontrastiert Nakata mit der „Fähigkeit“ der Toten zu leben und zu töten, mit einem Gedanken, einem Blick aus der virtuellen Welt oder aus der realen Welt, demnach eine virtuelle und zugleich tödliche reale Existenz. Der rächende, blitzartig tötende Gedanke, wird durch das Auge repräsentiert, das die vor dem Gesicht herunter hängenden Haare verbergen, gnadenlos nach sieben Tagen, so, als wolle es zugleich sagen, du hast eine Frist, aber sie nützt dir nichts. Du wirst sterben. Das Auge steht für Sehen, Erkennen, Einschätzen, Abwägen, Beurteilen, Empfindungen, für fast alles, was wir wahrnehmen, aber eben auch für Töten. Im Krieg ist die Waffe nur das exekutiv wirkende, verlängerte Auge, das die Situation auf dem Schlachtfeld einschätzt, den Raum erkundet, um den Gegner zu vernichten. Man vergleiche das Auge des hochkomplexen Computersystems HAL in Kubricks „2001. A Space Odyssey“ – das ebenso tödliche Wirkung entfaltet. Sehen ist für uns die wichtigste Form zu erkennen. Hier wird es zur Waffe einer lebenden Toten, einer realen und virtuellen Person, eines Racheengels, dem niemand entkommen kann.

„Ringu“ ist nicht umsonst bereits ein Klassiker des Horrorfilms und hat unter japanischen Fans Kultcharakter. Der Schrecken – und das ist ein, wenn nicht der entscheidende Unterschied zu Verbinskis Interpretation – kommt hier nicht aus einer „anderen“ Welt, aus einer Sphäre von Geistern, aus einer durch Brutalität, Unvernunft, Skrupellosigkeit charakterisierten Fremdheit zur „normalen“ Welt, sondern ist Bestandteil einer Welt.

[1] “Sneaking Fog”; die Zeile „Frolic in brine, goblins be thine“ wird im Film zitiert.



The Ring
(The Ring)
USA 2002, 115 Minuten
Regie: Gore Verbinski

Drehbuch: Ehren Kruger, nach einem Roman von Koji Suzuki
Musik: Hans Zimmer
Director of Photography: Bojan Bazelli
Montage: Craig Wood
Produktionsdesign: Thomas Duffield, Patrick M. Sullivan Jr.

Darsteller: Naomi Watts (Rachel Keller), Martin Henderson (Noah), Brian Cox (Richard Morgan), David Dorfman (Aidan), Daveigh Chase (Samara), Lindsay Frost (Ruth), Amber Tamblyn (Katie), Rachael Bella (Becca), Jane Alexander (Dr. Grasnik), Shannon Cochran (Anna Morgan), Sandra Thigpen (Lehrerin), Richard Lineback (Innkeeper), Pauley Perrette (Beth), Sara Rue (Babysitter), Joe Chrest (Doktor), Sasha Barrese (Mädchen), Tess Hall (Mädchen), Adam Brody (Junge), Alan Blumenfeld (Harvey), Ronald William Lawrence (Bibliothekar), Stephanie Erb (Donna), Michael Spound (Dave), Art Frankie (Cal), Billy Lloyd (Darby)

Kuddelmuddel am laufenden Band

Die Filmindustrie lebt auch vom Vergessen. Oder sagen wir vielleicht besser: Sie spekuliert mit dem Vergessen. Allerdings sind solche Spekulationen nicht immer von Erfolg gesegnet, zumal die personellen Bezüge des neuen Films von Gore Verbinski („Mouse Hunt“, 1997; „Mexican“, 2001) zu Filmen wie „Shining“ (1980), „The Sixth Sense“ (1999) und „The Others“ (2001) so  offensichtlich sind, dass es einem schon die Sprache verschlagen kann. Man erinnere sich etwa an die Figur des kleinen Cole (Haley Joel Osment) in „The Sixth Sense“ oder die des dreiradfahrenden Danny (Danny Lloyd) und der von ihm gesehenen zwei toten Mädchen (Lisa und Louise Burns) in „Shining“, an die düstere Totenstimmung in „The Others“ – und schon gelangt man schnurstracks zu dem kleinen Aidan (David Dorfman) und der (natürlich weiß gekleideten)  Samara (Daveigh Chase) in „The Ring“. Die personelle Grundkonstruktion ist damit bereits fast vorgegeben. Und Naomi Watts und Martin Henderson verbleibt die Aufgabe, Licht ins Dunkel  einer Geschichte zu bringen, die nicht viel mehr Neues zu bieten hat als die Einführung eines magischen Videobandes, das zum Tode führt.

Das Hollywood-Remake des japanischen Streifens „Ringu“ (1998, Regie: Hideo Nakata, basierend auf einer Romantrilogie von Suzuki Koji – einem Kultfilm, so liest man –, der zwei weitere Filme nach sich zog, „Ringu 2“, 1998, Regie ebenfalls Nakata, und „Ringu 0“, 2000, ein Prequel, Regie: Norio Tsuruta) besticht vor allem durch den trügerischen Schein des Schreckens.

Ein Videoband wird vier jungen Menschen zum Verhängnis. Nach Ansehen des Bandes klingelt das Telefon und eine Mädchenstimme verkündet jedem, er oder sie habe nur noch sieben Tage zu leben. Auch die Nichte der Journalistin Rachel Keller (Naomi Watts) wird Opfer geheimnisvoller Umstände. Sie stirbt auf unerklärliche Weise an einer Herzattacke. Ihre Mutter bittet Rachel, der Sache nachzugehen. Rachel, die einen kleinen Sohn, Aidan (David Dorfman), hat, findet bald das Band, auf dem eine Frau, die sich von einer Klippe stürzt, Maden, ein Tausendfüßler, tote Pferde, eine lange Leiter, ein Mann hinter dem Fenster eines Hauses und anderes zu sehen sind – sowie eine Gestalt, die aus einem Brunnen steigt. Auch Rachel bekommt einen Anruf, in der ihr verkündet wird, sie sterbe in sieben Tagen.

Rachels ehemaliger Freund und Aidans Vater Noah (Martin Henderson), ein Videoexperte, glaubt zunächst nicht an eine abstruse Geschichte, in der ein Videoband zum Tod von Menschen führen soll. Doch bald müssen beide entdecken, dass die Gegenstände auf dem Videoband Hinweise auf eine tragische Familiengeschichte sind. Auf einer abgelegenen Insel steht der Leuchtturm, der auch auf dem Band zu sehen ist. Rachel trifft auf den ehemaligen Pferdezüchter Morgan (Brian Cox), stößt auf die merkwürdigen Umstände des Todes seiner Frau und findet heraus, dass die Morgans eine adoptierte Tochter hatten, die in der Psychiatrie untergebracht war.

Rachel und Noah, der das Band ebenfalls gesehen hat, läuft die Zeit davon. Vor allem aber macht sich Rachel große Sorgen um Aidan, der mehr über das Band und seine verborgenen Geheimnisse zu wissen scheint, weil auch Aidan heimlich das Band angesehen hat ...

„The Ring“ beginnt vielversprechend. Zwei Teenager geraten in eine furchterregende Situation durch ein Videoband. Eine der beiden jungen Frauen ist plötzlich verschwunden, die andere schleicht angsterfüllt durch das Haus. Es ist der siebte Tag nach Anschauen des Tapes. Nur leider bleibt diese Anfangssequenz der Horrorgeschichte der fast einzige gruselige Moment in Verbinskis Remake des japanischen Films vom 1998. Das Genre des Horror- oder Geisterfilms folgt eigenen Regeln. Glaubwürdigkeit bedeutet hier etwas anderes als in „realistischen“ Filmen. Ähnlich wie in Sciencefiction-Filmen aber muss auch hier die Geschichte in sich, das heißt bei Akzeptanz des Übersinnlichen, des Phantastischen, des Erfundenen und so weiter, nachvollziehbar und logisch stringent sein. Daran fehlt es „The Ring“ in jeder Hinsicht.

Allein schon die Tatsache, dass Rachel, die die Gefahren, die mit dem Videotape verbunden sind, ahnt bzw. kennt, dieses Band mehr oder weniger offen zugänglich herumliegen lässt, so dass ihr Sohn Zugriff darauf nehmen kann, ist ein dramaturgischer Mangel, der in keiner Weise gutgeredet werden kann. Und das, obwohl Rachel zudem von den Zeichnungen Aidans weiß, die ihr die Lehrerin gezeigt hat. Auf diesen Zeichnungen wird der Tod der Nichte Rachels vorhergesehen. Aidan weiß oder ahnt mehr von den Geheimnissen hinter dem Tape als alle anderen. Und welche Mutter, bitte schön, würde in einer solchen Situation ihr Kind auch nur einen Moment aus den Augen lassen? Anders Rachel. Sie sagt Bye Bye und begibt sich auf eine Insel.

Die Handlung folgt nun einer mehr als abstrusen Familiengeschichte und setzt darauf, vieles an dieser Geschichte bis zum Schluss im Verborgenen zu belassen. Der springende Punkt dabei ist allerdings, dass diese Spekulation, an der für sich genommen nichts auszusetzen wäre, Mängel des Drehbuchs offenbart. „The Ring“ gibt nur vor, den Betrachter im Ungewissen über verschiedene Dinge zu lassen. In Wirklichkeit versteckt sich hinter dem Ungewissen das Unausgegorene des Drehbuchs.

Die Familiengeschichte ist völlig absurd. Es geht um ein Paar, das keine Kinder bekommen kann und dann eines adoptiert. Dieses Kind wird von seiner Mutter ermordet. Warum? Hat es der Vater missbraucht? Darüber gibt es vage Andeutungen, doch selbst die kann man noch falsch verstehen. Samara, das Kind, scheint auch kein normales Kind, sondern schon zu Lebzeiten mit übersinnlichen Fähigkeiten ausgestattet zu sein: könnte man jedenfalls vermuten, zumal Szenen gezeigt werden, in denen Samara in der Psychiatrie erzählt, Dinge tun zu können, die ihre übersinnlichen Fähigkeiten offenbaren. Nachdem es von der Mutter in einen Brunnen geworfen wird, um es zu ermorden, bleibt es noch sieben Tage am Leben. Die Mutter stürzt sich von der Klippe. Warum wurde Samara ermordet? Weil sie schon damals gefährlich war, weil der Vater sie missbraucht hat, wenn nicht warum dann? Der Vater bringt sich um, als Rachel der Geschichte auf die Spur kommt – also merkwürdigerweise erst etliche Jahre nach dem Tod von Frau und Adoptivkind: Er steigt, verdrahtet mit Elektrokabeln, in seine Badewanne und stellt den Strom an (äußerst theatralisch!). Warum? Weil Samara wieder herum geistert? Samara hat sich auf dem Videoband sozusagen verewigt.

Selbst als Rachel es im Brunnen findet und Samara dann begraben wird, „lebt“ sie über das Videotape weiter. Und noch ein Warum: Warum ermordet das Kind Menschen, die mit der Familiengeschichte nichts zu tun haben, wahllos? Wenn diese Morde nach sieben Tagen nichts mit der Familiengeschichte zu tun haben, reduziert sich die Geschichte auf ein mit übersinnlichen Fähigkeiten ausgestattetes Mädchen, das nicht älter zu werden scheint, ein Videoband besitzt, auf dem eben dann doch diese Familientragödie verewigt ist, und mir nichts, dir nichts wartet, bis jemand das Tape anschaut, um dann zu verkünden: In sieben Tagen wirst Du sterben. Warum sieben Tage? Weil Samara sieben Tage im Brunnen noch lebte. Also doch wieder Familientragödie.

Dabei ist die abstruse, wirre und in sich unlogische Handlung nicht einmal besonders spannend inszeniert. Es ist nichts dagegen zu sagen, wenn ein Film auf Blutrausch, Hackebeile und andere Grässlichkeiten verzichtet. Nur: Sofern ein Film auf düstere und unheimliche Atmosphäre setzt, auf Mysteriöses, auf Angstsituationen, dann bitte nicht mit Effekthascherei wie dem Badewannenselbstmord. Die Idee mit dem Videoband mag für sich genommen ja ganz nett sein, doch für sich allein wird daraus noch kein adrenalintreibender Film.

What the hell! Die „Warum?“ beziehen sich nicht (!) auf die Glaubwürdigkeit von Geistergeschichten als solchen, sondern auf die innere Logik dieser Geschichte. Je mehr Verbinski erklärt, Erklärungen wieder fallen lässt, neue Wendungen einbaut, neue „Informationen“ liefert, desto mehr verheddert sich das Drehbuch in seiner Absurdität. Naomi Watts und Martin Henderson rasen von einer Erklärung zur nächsten, bis der Schluss des Films den Betrachter zu einer völlig unglaubwürdigen und desolaten Lösung für’s Weiterleben von Rachel und Aidan führt, die einem nur noch die Sprache verschlagen kann. Die zusätzlich deutlichen Anleihen bei „Shining“, „The Others“ und „The Sixth Sense“ – ich kann ehrlich gesagt keine weiß gekleideten Geister-Mädchen und Jungens, die mehr zu wissen scheinen als andere, mehr sehen – reduzieren „The Ring“ auf einen Film, der viel, vor allem viel erklären und viel dem Zuschauer überlassen möchte, an diesem Anspruch aber gnadenlos scheitert. Es macht keinen Sinn, über diese vielen Erklärungen, Scheinerklärungen und das „Offene“ des Films nachzudenken. Und wenn das keinen Sinn mehr macht, braucht man nach dem Genuss eines Videobandes zu Hause auch keine Angst mehr haben, wenn kurz darauf das Telefon klingelt.


 

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