Sabrina
(Sabrina)
USA 1995, 127 Minuten
Regie: Sydney Pollack

Drehbuch: Samuel A. Taylor, nach dem Drehbuch von Billy Wilder und dem Roman von Samuel Taylor
Musik: John Williams
Director of Photography: Giuseppe Rotunno
Montage: Fredric Steinkamp
Produktionsdesign: Brian Morris

Darsteller: Harrison Ford (Linus Larrabee), Julia Ormond (Sabrina Fairchild), Greg Kinnear (David Larrabee), Nancy Marchand (Maude Larrabee), John Wood (Tom Fairchild), Richard Crenna (Patrick Tyson), Angie Dickinson (Ingrid Tyson), Lauren Holly (Elizabeth Tyson), Dana Ivey (Mack), Miriam Colon (Rosa), Elizabeth Franz (Joanna), Fanny Ardant (Irène), Valérie Lemercier (Martine), Patrick Bruel (Louis), Becky Ann Baker (Linda)

Irrwege – Schleichwege – Umwege

Billy Wilders „Sabrina“ (1954) mit Audrey Hepburn in der Hauptrolle, Humphrey Bogart als Geschäftsmann Linus und William Holden als Lebemann David Larrabee galt manchem nicht als bestes Werk des Meisters. Besonders Humphrey Bogarts Part – eigentlich war Cary Grant für diese Rolle vorgesehen – wurde kritisiert, obwohl Wilder mit ihm absichtlich einen starken Kontrast zu Audrey Hepburn schuf und dadurch das dem Film zugrundeliegende Dreiecksverhältnis erst interessant machte. Sydney Pollacks („Der elektrische Reiter“, 1979; „Tootsie“, 1982; „Jenseits von Afrika“, 1986; „Die Firma“, 1993) Remake aus dem Jahr 1995 verlegte die Geschichte in die Gegenwart, beließ es aber ansonsten beim Ablauf wie bei Wilder; die Handlung basiert auf einem Roman von Samuel Taylor. Interessant ist allerdings, dass durch die Besetzung mit Ford, Osmond und Kinnear in den drei Hauptrollen die Charaktere und damit auch die emotionalen Verwicklungen teilweise ganz anders wirken als in Wilders Film.

Sabrina (Julia Ormond), ein Teenager, Tochter des Chauffeurs Tom Fairchild (John Wood), der für die reiche Familie Larrabee arbeitet, beobachtet genau, was sich in der Welt der Erwachsenen abspielt. Auf dem Besitz der Larrabees sitzt sie oft in „ihrem“ Baum, und ihr Hauptaugenmerk gilt dabei David Larrabee (Greg Kinnear), einem Müßiggänger, dessen älterer Bruder Linus (Harrison Ford) die Geschäfte der Familie führt. David allerdings hat keine Augen für das „hässliche Entlein“ mit Brille. Sabrina ist unglücklich. Und so entscheidet ihr Vater, sie für eine Weile nach Paris zu schicken, um Abstand zu gewinnen, etwas Neues zu entdecken und mit sich selbst ins Reine zu kommen. Währenddessen hat sich David in Elizabeth Tyson (Lauren Holly) verliebt, die Tochter der Geschäftsleute Ingrid und Patrick Tyson (Angie Dickinson, Richard Crenna). In einer möglichen Verbindung von Elizabeth und David sieht wiederum Linus die große Chance, durch eine Zusammenführung der beiden Firmen Larrabee Corporation und Tyson Electronics künftig noch beträchtlich größere Gewinne zu erzielen.

Als Sabrina aus Paris zurückkehrt, ist sie wie umgewandelt. Aus dem hässlichen Entlein wurde eine schöne junge Frau. Und als David beginnt, mit Sabrina heftig zu flirten, sieht Linus das avisierte Geschäft mit den Tysons in Gefahr. Linus bleibt nur eine Möglichkeit: Er muss Sabrina von seinem Bruder fernhalten. Er führt sie aus, tut so, als ob er an ihr interessiert wäre, plant gar einen gemeinsamen Aufenthalt mit Sabrina in Paris – bis er sich selbst zugestehen muss, dass er sich verliebt hat ...

Pollack „Sabrina“ ist auf den ersten Blick das, was man eine typische Hollywood-Produktion nennen würde. Ausstattung, Kostüme, Figuren – all das erscheint in einem Licht wie viele andere der gängigen romantischen Komödien à la Hollywood. Allerdings ist dieser Eindruck nicht ganz korrekt. Auch das Cinderella-Motiv ist nur ein Aspekt der Geschichte (wie schon bei Wilder). Letztlich lotet Pollack die Möglichkeiten des – das ließe sich an vielen Beispielen nachweisen – fast schon ausgelutschten Genres der romantischen Komödie aus, indem er ihr ein seriöses Fundament verschafft. Im Zentrum stehen die drei Charaktere als „typische“ psychologische Figurationen. Pollack vermeidet es indes, sie als Typen vorzustellen, als Masken, die für etwas stehen, er verleiht ihnen – und Ford, Kinnear und Ormond helfen dabei kräftig mit – Lebensnähe und Glaubwürdigkeit.

Julia Ormonds Sabrina ist zunächst vielleicht einfach das, was man einen jungen, verliebten, sensiblen, aber eben auch sehr klugen Teenager nennen kann. Sabrina sieht in David das, was sie gerne sehen möchte: den Mann ihres Lebens. Mit diesem Gefühl fliegt sie nach Paris und kehrt wieder zurück. Dieses Gefühl ist ihr kleiner Schatz, den sie sorgsam hegt und pflegt, verbunden mit Hoffnung auf Erfüllung und Glück. Was sie nicht sieht und auch nicht sehen will, ist, dass David sein Leben damit zubringt, nicht bei sich selbst zu sein, sondern immer woanders: Autos und Frauen sind sein Pläsier. David ist allerdings nicht der „typische“ Playboy, nicht der Sohn reicher Eltern, der sich in einer Mischung aus Dummheit, Ignoranz, Eitelkeit und überspanntem Egoismus heraus von einer „Liebe“ zur anderen schwingt. David ist vielleicht manchmal dumm, auch eitel, auch egoistisch und ebenso ab und an ignorant, aber eben aus einem eigenen Manko heraus. Er sucht, ebenso wie sein Bruder Linus, der nicht verheiratet ist, schon lange keine Beziehung mehr gehabt hat, der sich voll und ganz auf das Geschäftliche stürzt, aber eben nicht unbedingt der „typische“ Workaholic aus dem psychologischen Grundkurs. Linus versteht sein Leben als permanenten Härtetest: Wer im Geschäft Erfolg hat, hat überhaupt Erfolg. Das ist das einzige was zählt. Er ist skrupellos und würde ohne zu zögern über Leichen gehen. Linus hat sich im Laufe der Jahre einen Panzer zugelegt, der ihn gegen jegliche Berührung schützt und mit dem er sich auch vor sich selbst schützt. Der Panzer wirkt nach außen wie nach innen. Er instrumentalisiert Sabrinas Gefühle für’s Business. Und erst spät, wenn auch nicht zu spät, muss er feststellen, wie unwichtig das ist, was er bisher getan hat.

In dieser Spannung zwischen den drei Hauptfiguren läuft anfangs alles aneinander vorbei: Sabrinas Liebe an David, Linus Skrupellosigkeit an Sabrinas Herz, Davids Verstand am Geschäft. Zum Schluss steht es ganz anders, als sich alle gedacht haben. Lust, Frust und Sehnsucht eben.

Pollack inszenierte „Sabrina“ mit einer seltenen Leichtigkeit, fast Beschwingtheit, und Ruhe, ohne in das Fahrwasser von Albernheiten oder Übertreibungen zu geraten. Die Dramatik des Geschehens bleibt sozusagen ebenso „auf dem Teppich“, wie das Romantische nicht in rührseligen Kitsch abgleitet. Diese Ausgewogenheit der Darstellung, die uns die Personen nahe bringt, liebe ich an Pollacks Version des Stoffs. Ford, Ormond und Kinnear können ihren Figuren einiges abgewinnen. Auch wenn Ford fast der Großvater der Ormond sein könnte: im Film funktioniert so etwas eben trotzdem.


 

Sabrina 1995-2