Taxi Driver (1976)
Wie ein wilder Stier (1980)
Die letzte Versuchung Christi (1988)
Good Fellas (1990)
Kap der Angst (1991)




Taxi Driver
(Taxi Driver)
USA 1976, 113 Minuten
Regie: Martin Scorsese

Drehbuch: Paul Schrader
Musik: Bernard Herrmann
Director of Photography: Michael Chapman
Montage Tom Rolf, Melvin Shapiro

Darsteller: Robert de Niro (Travis Bickle), Jodie Foster (Iris Steensma), Harvey Keitel („Sport“ Matthew), Cybill Shepherd (Betsy), Peter Boyle (Wizard), Leonard Harris (Charles Palantine), Albert Brooks (Tom), Garth Avery (Iris Freund), Victor Argo (Melio)

Einsamkeit und Gewalt

„The whole conviction of my
life now rests upon the belief
that loneliness, far from being
a rare and curios phenomenon,
is the central and inevitable fact
of human existence.“
Thomas Wolfe, „God’s Lonely Man“
(Aus dem Vorspann des Films)

Einsamkeit – Großstadt – Verzweiflung – Hilflosigkeit – Wut – Gewalt. Diese Begriffe umschreiben nur völlig unzureichend, was Martin Scorsese in seinem vor 26 Jahren gedrehten Film auf Basis eines exzellenten Drehbuchs von Paul Schrader in die Kinos brachte. Dabei erwartete er selbst nicht den Erfolg, zu dem der Film tatsächlich dann wurde.

Auch andere Schwierigkeiten mussten überwunden werden. Zum Beispiel, dass Jodie Foster damals gerade mal vierzehn Jahre alt war und eine zwölfjährige Kinderprostituierte spielen sollte. Das musste Scorsese bei der entsprechenden Behörde für Jugendschutz erst einmal durchsetzen. In Anwesenheit ihrer Mutter durfte Jodie Foster nur eine bestimmte Stundenzahl pro Tag am Set drehen. Sie erzählt im Rückblick, wie sehr sie es hasste, Hot Pants und hochhackige Schuhe zu tragen.

Für einen Teil der Schlussszene musste die Decke eines Zimmers teilweise ausgebrochen werden, damit mit der Kamera auf einer Schiene von oben in das Zimmer hinein gefilmt werden konnte. Gleichzeitig musst das alte Haus abgestützt werden, damit es nicht zusammenfiel. Der Maskenbildner u.a. mussten einige Phantasie entwickeln, um in einem sehr engen Korridor und Treppenhaus des Hauses, in dem es zum Schusswechsel kommen sollte, z.B. eine abgeschossene Hand zu konstruieren, aus der Blut hinaus laufen sollte.

Travis Bickle (Robert de Niro) hat Vietnam hinter sich. Er kann nachts nicht schlafen. Daher fängt er bei einer Taxifirma an und sieht des nachts viel von dem, was er nicht ertragen kann: Prostitution, Drogen, Verkommenheit, Kriminalität. Seine Kontakte beschränken sich auf nächtliche kurze Treffen mit seinen Kollegen zum Kaffee.

In New York ist Wahlkampf. Charles Palentine (Leonard Harris) bewirbt sich als Präsidentschaftskandidat – mit einem Programm unter dem Titel „We are the people“ und der Maxime: Sauberkeit in jeder Hinsicht. Travis beobachtet das Wahlkampfbüro. Als er die Wahlkampfmanagerin Betsy (Cybill Shepherd) in blütenweißem Kleid sieht, ist er fasziniert, versucht, an die junge Frau heranzukommen, geht in das Wahlkampfbüro und redet auf sie ein. Er wolle den Wahlkampf unterstützen, aber vor allem sie kennen lernen. Irgendwie macht Travis Eindruck auf Betsy, und nach einem gemeinsamen Kaffee in irgendeiner Bar lädt Travis sie zum Kinobesuch ein – in ein Pornokino, was Betsy überhaupt nicht nachvollziehen kann. Sie wendet sich von Travis ab, schickt seine Blumen wieder zurück.

Travis hingegen ist nun davon überzeugt, dass auch Betsy „zu den anderen“ gehört, der ganze Wahlkampf von Palentine eine Farce ist und seine Saubermann-Parolen erstunken und erlogen sind. Travis besorgt sich mehrere Waffen und beschließt, Palentine zu ermorden.

Während er sich auf den Anschlag vorbereitet, lernt er die Kinderprostituierte Iris kennen. Sie ist zwölf und von einem Zuhälter, der sich „Sport“ nennt (Harvey Keitel), abhängig. Das, was mit Betsy nicht funktioniert hat, will Travis nun Iris angedeihen lassen. Er will sie befreien – aus dem Sumpf der Prostitution. Bei einem Zusammentreffen will er dies Iris klar machen, obwohl die ihr jetziges Leben gar nicht aufgeben will.

Doch vorher muss er noch Palentine beseitigen. Er begibt sich auf eine Wahlkampfveranstaltung, den Kopf geschoren und mit einem Irokesenschnitt versehen. Allerdings wird ein Sicherheitsbeamter auf ihn aufmerksam und Travis muss das Weite suchen ...

Scorsese und Schrader präsentieren eine äußerst widersprüchliche Figur Travis Bickle. Er hasst den „Schmutz“ (Prostitution, Klein- und Kleinstkriminalität, Drogenszene etc.), aber gleichzeitig lebt er in einer Welt der Pornographie, besucht entsprechende Kinos; er hasst die Stadt, deren Anonymität, doch er arbeitet hier, sogar nachts, wenn das noch verstärkt aus „den Löchern kriecht“, was er verabscheut, wenn es noch einsamer auf den Straßen zugeht. Travis hat sich selbst zur moralischen Instanz erhoben. Das macht er dem Wahlkämpfer Palentine während einer Taxifahrt mehr als deutlich. Travis erklärt sich für nicht zugehörig zur Stadt und ihrem Schmutz, und doch ist er ohne Einschränkung Produkt und Teil ihres sozialen Alltags. Er lebt von ihr.

Travis ist nicht „einfach einsam“. Er ist das Produkt der Umgebung, die er verachtet, er ist in ihr groß geworden, und er ist zugleich Produkt seiner selbst, das heißt unfähig, den Zusammenhängen des Lebens in der Großstadt – ob New York oder irgendeine andere Stadt spielt keine Rolle – auf den Grund zu gehen und das, was er als „Schmutz“ sieht, in das Gefüge einzuordnen und anders zu bewerten. Travis hat nichts von dem, was man historisches Bewusstsein oder soziales Verstehen nennen könnte. Er schaut den Schmutz, aber er sieht nicht wirklich hin. Er glaubt nur zu begreifen, aber er denkt in Begriffen, die nicht reflektiert sind. Er phantasiert Lichtgestalten: die „reine“ Betsy und die „an sich unschuldige“ Iris. Beide Frauen will er befreien, obwohl sie von ihm nichts dergleichen wollen. Als sich Betsy von ihm abwendet, wird für Travis sehr schnell aus dem lichten Engel eine Hexe, die sich nur verkleidet hat. Die Waffen, die sich Travis besorgt, stehen für das Kreuz der Teufelsaustreibung, mit dem er den Schmutz bekämpfen will.

Auch sieht er nicht, dass er nicht der einzige ist, der im Moloch Stadt einsam ist. Iris zum Beispiel hat sich von ihrem kleinbürgerlichen Elternhaus losgesagt, ihren Namen geändert und sieht in ihrem Zuhälter „Sport“ die Art von Mensch, den sie braucht, der ihr Schutz und Zuneigung gibt. Sie sieht nicht, dass „Sport“ sie ausschließlich ausnutzt und ihr nur Zärtlichkeit vormacht. Oder sieht sie es doch und ist damit zufrieden? Auch der Mann (Martin Scorsese), den Travis im Taxi zu einem Haus fährt, der ihm sagt: Schau, da oben hinter der Gardine, das ist meine Frau, aber das ist nicht mein Haus, meine Frau trifft sich dort mit einem „Nigger“, ich werde ihn töten, was sagst du dazu – auch dieser Mann interessiert Travis nicht wirklich. Das, was er sagt, bestärkt ihn lediglich in seiner Verachtung für die Stadt und ihren Schmutz.

In einer Szene geht Travis am Morgen durch die Stadt, umringt von Passanten, einsam. Schrader sagte zu dieser Szene: Nur in dieser Menge ist man einsam, kann man einsam sein. Es ist nicht eine punktuelle, zeitweise, situationsabhängige, vorübergehende Einsamkeit, die Travis erfährt. Es ist eine sozusagen strukturell verankerte Einsamkeit, gepaart mit der Unfähigkeit, sie innerhalb des städtischen Lebens zu überwinden. Travis spricht mit etlichen Leuten, aber er ist im Grunde unfähig zur Kommunikation und damit zu Freundschaft, Liebe usw. Seine Verzweiflung ist ebensowenig situativ; sie ist latent und chronisch, sie hat sich fest in seinem Inneren eingenistet. Das, was Travis außerhalb als Schmutz schaut, ist Projektion dieser inneren Verzweiflung. Das eigene innere Negative, das Leiden in ihm selbst, das er nicht bekämpfen kann, überträgt er auf „die da draußen“, die „Täter“, und ihre tatsächlichen oder vermeintlichen Opfer, deren Befreiung er sich auf die Fahnen geschrieben hat. So entstehen Feindbilder und Psychosen. Das, was ihn in seinem Innern keine Ruhe lässt, verfolgt, das verfolgt ihn dann „da draußen“. Und daher muss er sich „wehren“, die Verfolger verfolgen.

Die einzige Möglichkeit, dem zu entkommen, ist ein quasi religiöser, reinigender Akt. Wie den Vampiren mit Kreuz und Pfahl der Garaus gemacht wird, so greift Travis zum Waffenarsenal. Aber im Unterschied zur Vernichtung von Vampiren spürt Travis irgendwo in seinem Innern selbst, dass er – ob er nun Palentine ermordet oder „Sport“ – die Waffe danach gegen sich selbst richten müsste. Travis Einsamkeit ist Produkt jener subtil-gefährlichen Mischung aus den schwierigen Bedingungen eines großstädtischen Individualismus und der selbstgewählten Isolation, gepaart mit der „anerzogenen“ Unfähigkeit, dieses explosive seelische Konglomerat auf eine produktive Art zu sprengen. Der Akt der Gewalt bleibt ihm als einziger Ausweg – so sieht er es jedenfalls.

Der Schluss des Films zeigt einen Travis, den seine Umgebung als Helden feiert – eine Aufforderung, auf seinem Weg weiterzugehen? Es ist viel darüber diskutiert und geschrieben worden, ob dieser Schluss Realität wiedergibt oder ob er die letzten Gedanken eines Sterbenden visualisiert. Ich halte das für unerheblich. Denn ob er nun mit solchen Gedanken stirbt oder weiterlebt – viel wichtiger wäre die Frage, ob ein fast unveränderter mentaler Zustand weiterhin seine Handlungen bestimmt oder nicht.

Scorseses „Taxi Driver“ ist auch und gerade nach 26 Jahren noch immer aktuell. Scorsese und Schrader verorten die Frage nach Gewalt nicht in einem individualisierten Raum. Die Sicht des Films ist vor allem die Sicht von Travis. Paradoxerweise führt dies zu einer geweiteten und breiteren Perspektive, in der sich Gewalt nicht mehr eindimensional und ausschließlich als Frage von individueller Schuld und Strafe stellt.



Wie ein wilder Stier
(Raging Bull)
USA 1980, 129 Minuten
Regie: Martin Scorsese

Drehbuch: Mardik Martin, Paul Schrader, nach dem Buch von Jack La Motta, Joseph Carter und Paul Savage
Musik: Pietro Mascagni („Intermezzo“ aus der Oper „Cavalleria rusticana“)
Director of Photography: Michael Chapman
Montage: Thelma Schoonmaker
Produktionsdesign: Gene Rudolf

Darsteller: Robert de Niro (Jake La Motta), Cathy Moriarty (Vickie La Motta), Joe Pesci (Joey La Motta), Frank Vincent (Salvy), Nicholas Colasanto (Tommy Como), Theresa Saldana (Lenore La Motta), Mario Gallo (Mario), Frank Adonis (Patsy), Joseph Bono (Guido), Frank Topham (Toppy), Lori Anne Flax (Irma), Charles Scorsese (Charlie)

„An ‘Othello’ for our times”

„I'm a much better person
today than I used to be.
I really didn't care much
about anyone. I was arrogant.
I've mellowed with the years, thank God.”
(Jake La Motta, *1921)

In einem seiner Kämpfe gegen seinen Dauer-Gegner Sugar Ray Robinson (Johnny Barnes) steht Jake La Motta (Robert de Niro) an den Seilen, die Arme nach rechts und links ausgestreckt und lässt sich windelweich schlagen. „Hau zu!” fordert er seinen Gegner auf. „Aber du wirst mich nie zu Boden schlagen.” Die von Thelma Schoonmaker geschnittenen Box-Passagen des Films (sie erhielt neben de Niro einen Oscar) waren in der Geschichte des Box-Films etwas Neues. Die Kämpfe zwischen La Motta und seinen Gegnern Robinson, Janiro, Fox u.a. wurden innerhalb des Rings gedreht, zum Teil in Zeitlupe, und wirken derart realistisch, dass andere Boxer-Filme dagegen fast verblassen (für die Aufnahme der Boxszenen benötigte Scorsese zehn Wochen). Sie zeigen aber nicht nur realistisches Boxen, sondern auch – wie in der anfangs beschriebenen Szene –, dass „Raging Bull” in erster Linie das Psychogramm eines Mannes und weniger ein Film über das Boxen ist. La Motta lässt sich von Robinson schlagen, als wenn er sich selbst bestrafen wollte, ohne seinem Gegner den Erfolg zu gönnen, ihn am Boden zu sehen.

Jack La Motta war neben Sugar Ray Robinson in den 40er und 50er Jahren einer der bekanntesten Boxer. Beider Duelle sind Legende geworden. La Motta war Weltmeister im Mittelgewicht von 1949 bis 1951. Der Film spielt zwischen 1941 und 1964 und basiert auf der 1970 erschienenen Autobiografie La Mottas. Robert de Niro trainierte mit La Motta ein Jahr lang täglich, um als Boxer überzeugend zu wirken. Für den letzten Teil des Films musste der Schauspieler in drei Monaten 50 Pfund zulegen, um den übergewichtigen La Motta in der Zeit nach seiner Boxkarriere darzustellen.

Aufgewachsen in der Lower East Side in New York begann La Motta schon als Jugendlicher mit dem Boxen. Der Film setzt ein, kurz bevor er seine langjährige Frau Vickie (Cathy Moriarty) – gerade mal 15 Jahre alt – kennen lernt. Neben Vickie gibt es letztlich nur einen Menschen, der für La Motta eine Bedeutung hat: sein Bruder und Manager Joey (Joe Pesci). La Motta wächst (wie Scorsese) in Little Italy auf, und der Film schildert neben dem Boxen das soziale Milieu, in dem La Motta von Beginn an als ein Mann gezeigt wird, dessen Leben fast ausschließlich um ihn selbst kreist. La Motta schlägt seine Gegner nicht nur, er bekämpft sie, als ob er sie vernichten wollte. Vickie und Joey sind für ihn Mittel zum Zweck – sie sollen ihm dazu verhelfen zu siegen. La Motta ist unfähig, wirklich zu lieben. Er wird beherrscht von Eifersucht, der Unfähigkeit, jemandem wirklich zu vertrauen, und der Furcht vor Sexualität. Selbst gegenüber der Mafia bleibt La Motta starrsinnig. Die Angebote Tommy Comos (Nicholas Colasanto) und Salvys (Frank Vincent), ihn für sich boxen zu lassen, lehnt er ab. Die Mafiosi stellen ihn kalt: Er würde nie wieder gegen wirklich große Gegner boxen, wenn er nicht für sie arbeite.

Scorsese vermeidet jegliche Glorifizierung des Boxsports. Der zum größten Teil in Schwarz-Weiß gedrehte Film (nur einige wenige Szenen sind in Farbe zu sehen) vermittelt die Atmosphäre der Zeit und die Härte und Gewalttätigkeit des Sports, der sozialen Umstände und der Person des Boxers. Michael Chapman fotografierte „Raging Bull” aber auch als eine Art Reminiszenz an das zeitgenössische Kino der 40er Jahre.

Lediglich Joey, Jakes Bruder, wird als ein Mann gezeigt, der sich punktuell der Skrupellosigkeit zu entziehen versucht, aber letztlich auch scheitert. La Mottas Eifersucht und sein immer stärkeres Misstrauen seiner Frau und seinem Bruder gegenüber führt dazu, dass beide ihn verlassen. La Motta boxt sich in die Einsamkeit, und später (Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre) sieht man den übergewichtigen, fetten Ex-Boxer als gebrochenen Mann, der einmal Weltmeister im Boxen war, sein Leben allerdings verpfuscht hat. Sein Leben als Besitzer eines Night-Clubs und seine Auftritte in einem Strip-Lokal zeigen den Boxer als eine Karikatur seiner selbst.

Einmal mehr erwies sich in „Raging Bull” die Zusammenarbeit zwischen Scorsese und de Niro als äußerst fruchtbar. Der Film zeigt den Ring nicht als vom übrigen Leben abgetrennten Bereich des Triumphs, des Erfolgs. Der Ring ist für La Motta sozusagen öffentlicher Ausdruck seiner brüchigen Persönlichkeit. Die Gewalt, die er insbesondere auch gegen seine Frau ausübt, weil er glaubt, sie betrüge ihn, setzt sich im Ring fort. Gewalt ist für ihn das einzige Mittel, sich gegenüber seiner Umwelt zu präsentieren, weil er nie mit sich selbst im Reinen ist. Roger Ebert vergleicht den Film und die überzeugende Rolle, die de Niro spielt, in seiner Besprechung mit Shakespeares Othello, „an Othello for our times”. Neben de Niro sind es Joe Pesci und Cathy Moriarty, die diese moderne Tragödie zu einem grandiosen Meisterwerk machen.



Die letzte Versuchung Christi
(The Last Temptation of Christ)
USA 1988, 164 Minuten
Regie: Martin Scorsese

Drehbuch: Paul Schrader, nach dem Roman von Nikos Kazantzakis
Musik: Peter Gabriel, Shankar
Director of Photography: Michael Ballhaus
Montage: Thelma Schoonmaker
Produktionsdesign: John Beard

Darsteller: Willem Dafoe (Jesus von Nazareth), Harvey Keitel (Judas Ischariot), Paul Greco (Zealot), Verna Bloom (Maria, Mutter Jesus), Barbara Hershey (Maria Magdalena), Victor Argo (Petrus), Michael Been (Johannes), Leo Burmester (Nathaniel), Andre Gregory (Johannes, der Täufer), Peggy Gormley (Martha, Schwester des Lazarus), Randy Danson (Maria, Schwester des Lazarus), Tomas Arana (Lazarus), Harry Dean Stanton (Saulus / Paulus), David Bowie (Pontius Pilatus), Juliette Caton (Schutzengel Jesus)

Entzauberung und Verzauberung

„Die duale Substanz Christi –
die Sehnsucht des Menschen,
so menschlich und übermenschlich
zugleich, Gott nahe zu kommen –
war für mich schon immer ein
tiefes, undurchdringliches Geheimnis.
Die größte Qual und die Quelle all
meiner Freuden und Schmerzen war
für mich von Jugend an der
unaufhörliche, erbarmungslose
Kampf zwischen dem Geist und
dem Fleisch ... und meine Seele ist
die Arena, in der diese beiden Armeen
aufeinander gestoßen sind und sich
getroffen haben.“
(Nikos Kazantzakis)

„Dieser Film basiert nicht auf
den Evangelien, sondern auf
dieser fiktionalen Erforschung
des ewigen spirituellen Konflikts.“
(Martin Scorsese)

Jesus (Willem Dafoe) liegt am Boden. Es schmerzt ihn. Der Schmerz sitzt tief. „Mit einem Gefühl, ganz zart, ganz sanft, fängt es an. Und dann kommt der Schmerz, als ob mir [...] ein Vogel die Klauen in den Schädel schlägt, die Krallen graben sich ein. Kurz bevor sie meine Augen erreichen, lockern und lösen sie sich allmählich, und dann erinnere ich mich.“ Das zarte, sanfte Gefühl, die Rückbeziehung auf Gott, auf die Liebe, auf seine Liebe und die Liebe zu Gott beherrscht seine Sinne. Und dann kommt der Schmerz, so dass er sich krümmen muss – und erst dann kann er sich erinnern. Nikos Kazantzakis verfolgt in seinem (umstrittenen) Roman ein „Konzept“ des Lebens Jesus, dass anscheinend so ganz anders aussieht, als es die Evangelien nahe legen und insbesondere später die Kirche verfolgt hat. Jesus ist zuerst Mensch und dann Gottes Sohn. Er ist beides, einmal dies, dann das, dann beides zugleich. Aber vor allem ist es das Konzept der Erinnerung und damit der Historizität, der Rückversicherung des eigenen Lebens und des kollektiven Lebens, das Kazantzakis Roman wie Scorseses Film, der sich auf das Buch stützt und nur bedingt auf die Evangelien, bestimmt.

Erinnerung ist kein funktionaler, mechanischer Vorgang, keiner, der Informationen „abruft“, „speichert“ wie ein Computer. Erinnerung ist ein konstitutives Element unserer individuellen wie sozial vermittelten Subjektivität. Sie vor allem speist das, was wir das Bewusstsein unser selbst, unsere Individualität in einer sozial verhafteten Welt, unser So-Sein und unser Nicht-So-Sein nennen. Erinnerung ist vor allem Unterscheidungsvermögen und qualitative Unterscheidung in Bedeutsames und Unwichtiges. Das, was für uns Bedeutung hat, ist kulturell wie individuell konstitutiv für unsere Subjektivität.

Für Jesus verdoppelt sich dies, weil er Mensch und Gottes Sohn zugleich ist. Aber Religion, also Rückbezug, ist – neben der (personellen) Konstruktion eines allmächtigen Schöpfers – eben auch Rückbezug auf das Allgemeine, das Konstitutive der Gesellschaft und ihres historischen und kulturellen Werdens. Erinnerung ist nicht nur positiv; Erinnerung kann schmerzen und schmerzt.

Scorsese visualisiert einen Christus, der – stellvertretend für alle Menschen – nicht nur nach Gottes Willen die Schuld aller auf sich nimmt und dafür am Kreuz stirbt. Dieser Christus ist auch die Verallgemeinerung des Menschen und dabei doch auch jedes konkreten Menschen. Er baut Kreuze für die Römer, trägt sie nach Golgatha, der Schädelstätte, und an seinen Kreuzen sterben die von den Römern Verurteilten. Jesus nimmt vorweg, was ihm selbst passieren wird. Er lädt Schuld auch sich. Die Schuld, Ausdruck der Unvollkommenheit aller Menschen, ist Teil dieses Jesus wie jedes anderen Menschen. Die Zartheit und der Sanftmut der Liebe hier, der Schmerz der Schuld dort: beides droht den Gottes- und Menschensohn zu zerreißen. Beides verkörpert sich in Gott und Satan. Die Unschuld, verflogen nach der Vertreibung aus dem Paradies, das absolut Gute spaltet sich in Gut und Böse. Was treibt diesen Jesus – Gott oder Satan? Gott, antwortet er seiner Mutter Maria (Verna Bloom), und sie fragt ihn, ob er sicher sei, ob es nicht Satan sei, der ihn treibe. „Ich bin mir dessen nicht sicher“, antwortet er Maria. „Ich bin mir ganz und gar nicht sicher.“ Sicher ist nur, dass der Zweifel Jesus beherrscht. Warum gibt ihm Gott nicht die Sicherheit, die er so dringend benötigt, um das Himmelreich auf Erden zu schaffen? Er provoziert Gott aus dieser Verzweiflung und Angst heraus, indem er Kreuze für die Römer zimmert.

Die Unsicherheit, Ausdruck der Verdopplung von Jesus als Gottes Sohn und Menschensohn, verleitet ihn dazu, Gottes Liebe immer wieder zu verfluchen. „Gott liebt mich. Ich weiß, er liebt mich. Ich ertrage den Schmerz nicht. [...] Er soll mich hassen. Ich bekämpfe ihn. Ich zimmere Kreuze, damit er mich hasst. Damit er einen anderen findet. Ich will jeden seiner Erlöser kreuzigen.“

Die Angst ist Jesus Gott. Die Angst und der Zweifel. Und er wundert sich selbst über seine Wunder, etwa wenn er den toten Lazarus (Tomas Arana) wieder zum Leben erweckt oder wenn er einen Blinden wieder sehend macht.

Scorsese und Kazantzakis konstruieren einen Jesus, dessen Menschsein nicht vernachlässigt wird. Sie zeigen jedoch auch in den anderen biblischen Gestalten andere Menschen als gewohnt. Judas (Harvey Keitel), mit knallrotem Haar, ist der Revolutionär, der, der mit Saulus (Harry Dean Stanton) die irdische Rebellion, den Umsturz, den Kampf gegen die Römer auf ihre Fahnen geschrieben hat. Judas ist nicht der Verräter, der Jesus für ein paar Silberlinge an die Römer ausliefert. Nein, dieser Judas ist der vertrauteste Jünger Jesus, der, der Jesus kritisiert, weil er nicht zum Aufstand aufruft, sondern die Seele der Menschen befreien will, der jedoch gleichzeitig mit ihm geht, die Wucherer aus dem Tempel vertreibt, und der auf Geheiß Jesus die römischen Soldaten zu ihm führt, als Jesus Gottes Willen erkannt hat, dass er am Kreuze sterben soll.

Oder Johannes, der Täufer, (Andre Gregory) der Jesus davon überzeugen will, dass Liebe allein nicht ausreicht, um das irdische Jammertal zu bekämpfen. „Ungerechtigkeit kann ich nicht lieben“, sagt er zu Jesus. Auch das Konzept des Satans ist kein Konzept des Bösen schlechthin. In der Wüste zieht Jesus einen Kreis, und dort, in der Einsamkeit, die auch für die Einsamkeit des Menschen steht, begegnet ihm Satan in Gestalt der Schlange, die ihm rät: Rette dich selbst, nimm dir eine Frau, gründe eine Familie; in Gestalt des Löwen, der ihm rät: Rette die Welt, ergreife die Macht; und in Gestalt des Feuers, das ihm sagt: Setz dich auf den Thron und setze mich daneben. Und dann erscheint ihm Johannes, der Täufer, und spricht: Nimm diese Axt und trage die Botschaft zu den Menschen.

In diesen Worten erkennt Jesus die Hilflosigkeit, der er ausgesetzt ist. Wie rette ich die Welt? Wie rette ich die Menschen? Sollen sie alles umstürzen, was Ungerechtigkeit erzeugt? Sollen sie sich ihre Seele befreien statt Krieg gegen die Ungerechtigkeit zu führen? Was soll er tun, dieser Jesus? Er predigt. Doch seine Predigten, vehement und zugleich fast flehend vorgetragen, bringen ihm nur wenige Anhänger. Selbst in diesen Predigten ist er nicht nur Gottes Sohn, sondern Mensch aus Fleisch und Blut.

Hin- und hergerissen zwischen äußerem und inneren Aufstand, zwischen Revolution und Reinigung der Seele, zwischen Gott und Satan, erkennt er schließlich, dass sein Tod am Kreuz Gottes Willen ist – als Ausdruck nicht nur der Schuld aller Menschen, sondern als Zeichen der Sühne für alle anderen. Am Kreuz träumt er ein letztes Mal vom irdischen Dasein, verführt von Satan in Gestalt eines Engels (Juliette Caton), führt ein Leben mit Maria Magdalena (Barbara Hershey) und dann mit Maria (Randy Danson), der Schwester des Lazarus bis zur Zerstörung von Jerusalem. Ein letzter Traum vom irdischen Leben.

„Es ist vollbracht“ – diese letzten Worte von Jesus vor dem Tod am Kreuz, erhalten nicht nur durch diesen Traum eine andere Bedeutung, als ihnen normalerweise beigemessen wird. Der Tod Jesus ist der Tod nicht nur von Gottes Sohn, sondern auch der Tod eines Menschen. Die Fleischeslust – symbolisiert durch eine Szene im Traum, in der Jesus mit Magdalena schläft –, ja die Lebenslust schlechthin, und die Erhabenheit des Geistes sind zu gleichen Teilen konstitutiv auch für das Leben Jesus. Diese Entzauberung des kirchlichen Jesus, ja, diese Ent-Ideologisierung von Christus widerspricht vielleicht der katholischen oder überhaupt kirchlichen Dogmatik, aber nicht dem Glauben, wie einige fundamentalistische Kritiker des Films behaupteten. Sie zeigt die wahrscheinlich unauflösliche Dualität menschlichen Strebens nach Vollkommenheit (gleich: Gott-Gleichheit), nach transzendentaler Rückbeziehung, hier und der Unvollkommenheit, das heißt Schuld menschlichen Daseins, dort. Das Gute und das Böse erscheinen nicht als zwei getrennte Welten, sondern als zwei Seiten menschlichen Daseins. Gott und Satan sind nicht Ausdruck von absolut reiner Seele hier und absoluter Lustbesessenheit dort, sondern werden als zwei unabdingbare, sich ergänzende Eigenschaften visualisiert. In dieser Dualität als Einheit von Widersprüchlichem geht Jesus seinen schmerzhaften Weg. Sein Tod am Kreuz ist so nichts anderes als symbolischer Ausdruck für das Leben aller Menschen.

Ganz anders als Gibsons „The Passion of the Christ“ (2004), der aus Jesus eine ideologische Figur im Sinne einer fundamentalistisch verstandenen sektiererischen, politischen Glaubensrichtung zimmert, lässt Scorseses „The Last Temptation of Christ“ alles offen. Der Film verführt, ja zwingt zum Nachdenken über die Dualität unseres Daseins zwischen Gut und Böse, Schuld und Vergebung. Er taugt eben gerade deswegen nicht nur für Menschen mit Glauben, sondern auch für Nicht-Gläubige.

Die Inszenierung besticht zudem durch karge und doch wunderbare, ja satte (von Michael Ballhaus fotografierte) Bilder einer natürlichen und kulturellen Landschaft, die nur scheinbar der Gegenwart so fern ist, durch eine Darstellung von Jesus durch Willem Dafoe, die jedem Postkarten-Christus absolut fern ist, und nicht zuletzt durch eine Musik von Peter Gabriel und Shankar, die der Atmosphäre des Gezeigten zusätzliches Gewicht verleiht. „The Last Temptation of Christ“ ist ein wunderbarer, zarter, ja zärtlicher und zugleich schmerzhafter (gelungener) Film, der – abseits jeder Hollywood-Manierismen – berührt und besticht. Ein weiteres Mal bewährte sich die Zusammenarbeit zwischen Scorsese und Paul Schrader, der auch die Drehbücher für „Wie ein wilder Stier“ (1980) und „Taxi Driver“ (1976) geschrieben hatte (ebenfalls auch das Drehbuch zu Scorseses „Nächte der Erinnerung“, 1999).



Good Fellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia
(Goodfellas)
USA 1990, 135 Minuten
Regie: Martin Scorsese

Drehbuch: Nicholas Pileggi, Martin Scorsese, nach dem Buch „Wise Guy” von Nicholas Pileggi
Musik: Paul Anka, Eric Clapton, Donovan u.v.a.
Director of Photography: Michael Ballhaus
Montage: Thelma Schoonmaker

Darsteller: Robert de Niro (James Conway), Ray Liotta (Henry Hill), Joe Pesci (Tommy De Vito), Lorraine Bracco (Karen Hill), Paul Sorvino (Paul Cicero), Frank Sivero (Frankie Carbone), Tony Darrow (Sonny Bunz), Mike Starr (Frenchy), Frank Vincent (Billy Batts), Chuck Low (Morris Kessler), Frank DiLeo (Tutti Cicero), Gina Mastrogiacomo (Janice Rossi)

Ein Sittengemälde über das kriminelle Milieu

Einen wahren Klassiker des Gangsterfilms – wenn man dieses Genre bei Filmen von Martin Scorsese bemühen will – lieferte der Meister 1990 mit diesem Streifen aus dem Mafia-Milieu, der die wahre Geschichte des Gangsters Henry Hill, seinen Aufstieg und seinen Fall, von den 50er bis in die 80er Jahre zum Gegenstand hat.

»Solange ich denken kann, wollte ich immer Gangster werden«, läutet Henry Hill (Ray Liotta) den Rückblick auf seine Gangsterkarriere ein. Das klingt nicht nur wie der Traum eines jeden Jungen »Ich wollte schon immer Pilot werden«; es ist ernst gemeint.

Der junge Hill ist fasziniert von den Mitgliedern der New Yorker Quartier-Mafia, von Jimmy (Robert de Niro) und Tommy (Joe Pesci), die machen können, was sie wollen, auf niemanden Rücksicht zu nehmen brauchen – außer auf die über ihnen – und viel Geld bei ihrem Beruf verdienen. Und Hill hat das Glück, in diese ehrenwerte Gesellschaft aufgenommen und eingeführt zu werden, an der Seite von Jimmy und Tommy. Henry macht Karriere. Schon bald organisiert er selbst Banküberfälle. Wer dabei im Weg steht, wird »weggeräumt«, umgebracht. Dabei sind Jimmy und vor allem Tommy nicht zimperlich. Sie verstehen ihr Handwerk, einschließlich Mord, und kennen kein Pardon und kein Gewissen.

So vergehen die Jahre und Henry baut sich eine wahre Gangsterexistenz mit allem Drum und Dran auf, einschließlich Frau Karen (Lorraine Bracco), Kindern und einer drogenabhängigen Geliebten.

Als er allerdings in den Drogenhandel einsteigt, bekommt er Probleme – nicht nur mit dem örtlichen Mafiaboss. Auch neuerlicher Raub wird ihm fast zum Verhängnis: Alle Beteiligten wollen ihr Geld. Jimmy, Tommy und Henry haben alle Hände voll zu tun, einen von ihnen nach dem anderen zu beseitigen, um potentielle Zeugen der Polizei aus dem Weg zu räumen. Dann wird Henry selbst verhaftet, und die anderen befürchten, er könne sie verraten ...

Scorsese malt ein Sittengemälde über einen Zeitraum von gut dreißig Jahren. Dabei schildert er wie kaum ein anderer das kriminelle Milieu als ein eigenständiges soziales Milieu mit allen grausamen und doch für die Beteiligten völlig normalen, selbstverständlichen, in Fleisch und Blut übergegangenen Regeln. Die Virtuosität, mit der Scorsese  die Lebensentwürfe und Lebensläufe der handelnden Personen in den sich verändernden Zeitgeist von den 50er bis zu den 80er Jahren schildert, ist beeindruckend und beklemmend zugleich. Diese Lebensentwürfe sind von nur einem geprägt, der Gier nach Macht, Geld, Einfluss, versteckt hinter einer oberflächlich bürgerlichen Fassade mit Familie, ja Sippe, und Gemeinschaft – natürlich in der Hauptsache von Männern. Freundschaft, Ehre, Vertrauen herrschen in diesem Milieu nur bis zu dem Punkt, an dem das eigene Streben nach Macht und Geld in Gefahr gerät. An diesem Punkt ist jeder bereit, seinen »besten Freund« brutal zu ermorden.

Je weiter der einzelne Gangster in diesem Milieu verhaftet ist, desto geringer auch nur der Hauch einer Chance, darüber nachzudenken oder gar auszusteigen. Doch diese Männer wollen auch gar nicht darüber nachdenken. Sie haben diesen Weg bewusst gewählt. Der Mord ist für sie kein Mord, sondern die Beseitigung eines Hindernisses. Wenn etwa ein aus dem Gefängnis zurückgekehrter Mafiosi wegen einer Beleidigung auf das grausamste umgebracht wird, bedeutet dies für die Beteiligten nichts anderes, als wenn jemand Bäume fällt, um ein Grundstück zu bebauen: die drei treten ihn mit den Füßen so lange ins Gesicht, bis er bewusstlos ist. Als sie ihn im Auto fortschaffen und merken, dass er noch lebt, traktieren sie ihn schlimmer als ein wildes Tier mit einem langen Küchenmesser und schießen ihm noch mehrfach in Kopf und Körper, bis auch ganz sicher ist, dass er tot ist.

Solche Szenen werden nicht häufig gezeigt; aber wenn, sind sie nicht nur abstoßend, sondern porträtieren zugleich die Verhaltensmuster eines Milieus, das auf eine schier unglaubliche, unmenschliche Weise selbstgerecht ist.

Scorseses Streifen enthält sehr viele Anklänge an den amerikanischen Gangsterfilm der 40er (etwa die Filme mit Edward G. Robinson), aber auch der 50er Jahre (z.B. die mit Frank Sinatra), verabschiedet sich aber zugleich von der Euphorie und Bewunderung dieser Streifen, in der das kriminelle (Mafia-)Milieu als eine Art Abenteuerroman daherkommt.

Robert de Niro, Ray Liotta und Joe Pesci sind ein Volltreffer-Trio für einen solchen Film. Sie gehen sozusagen ganz und gar in der Mafia-Szene auf, sind glaubwürdig in der Darstellung der entsprechenden Verhaltensmuster und lassen keinen Zweifel über die Charaktere, die sie spielen, aufkommen: Der Zweck heiligt für sie wirklich jedes Mittel; selbst vor der eigenen Mutter oder Frau oder anderen Familienmitgliedern würden sie keinen Halt machen.

Scorsese ist Moralist, ein extremer Moralist sogar, und sein Film ist ein deutlicher Kontrapunkt etwa zu »Der Pate« von Coppola, in dem die Gangsterwelt zwar ruchlos, aber eben doch irgendwo auch ehrbar erscheint. Trotzdem ist »Goodfellas« kein moralisierender Film mit dem Zeigefinger. Scorsese erzählt die Geschichte so nah an der Realität (bzw. der Autobiografie Hills) wie irgend möglich. Er lässt die Gangster für sich sprechen. Sie sind es, deren Verhalten, Denken, Handeln den Betrachter entweder abstoßen oder anziehen, deren Milieu auf den Zuschauer als Zeugen attraktiv oder widerlich wirkt, eine Milieu, das kompakt, logisch »durchdacht«, verhaltensmäßig eindeutig ist – und doch brüchig wie kaum etwas anderes, weil die Fassade von Ehre und Freundschaft gnadenlos zusammenbricht, wenn sich einer »auf den Schlips getreten« fühlt. Kampf, Gier, Machtdrang in Permanenz, bis zur Erschöpfung, bis die Zeiten sich so verändert haben, dass auch ein Henry Hill nicht mehr mithalten kann und als Kronzeuge gegen seine »besten Freunde« aussagt. Auch eine Logik des Milieus, denn jetzt ging es um sein Leben.



Kap der Angst
(Cape Fear)
USA 1991, 122 Minuten
Regie: Martin Scorsese

Drehbuch: Wesley Strick, James R. Webb, nach dem Roman von John D. MacDonald
Musik: Elmer Bernstein, Bernard Herrmann
Director of Photography: Freddie Francis
Montage: Thelma Schoonmaker

Darsteller: Robert de Niro (Max Cady), Nick Nolte (Sam Bowden), Jessica Lange (Leigh Bowden), Juliette Lewis (Danielle Bowden), Joe Don Baker (Claude Kersek), Robert Mitchum (Lieutnant Elgart), Gregory Peck (Lee Heller)

Nicht immer gelungenes Remake

Remakes haben es immer schwer. Und so musste Martin Scorsese in diesem 1991 gedrehten Thriller gegen den zum Klassiker gewordenen »Ein Köder für die Bestie« aus dem Jahr 1962 antreten, damals mit Gregory Peck und Robert Mitchum in den Hauptrollen des zu 14 Jahre Haft wegen Vergewaltigung verurteilten Max Cady (Robert de Niro) und seines Anwalts Sam Bowden (Nick Nolte). Mitchum und Peck wurden übrigens auch für das Remake für zwei Nebenrollen engagiert.

Bowden hatte im Prozess gegen Cady ein Beweisstück unterschlagen, das den Verurteilten möglicherweise entlastet hätte. Nun, nach Verbüßung der Haft, will sich Cady rächen, doch nicht mit »einfachem« Mord. Schon im Gefängnis hatte Cady lesen und schreiben gelernt, juristische Literatur gewälzt und 14 Jahre lang offensichtlich nichts anderes getan, als sich auf die Rache an seinem Ex-Anwalt ausgiebig vorzubereiten. Sogar seinen Körper hatte Cady mit Rachegedanken tätowiert.

Für Bowden und seine Familie, seine Frau Leigh (Jessica Lange) und seine Tochter Danielle (Juliette Lewis) beginnt ein lang anhaltendes Psychodrama. Denn Cady versteht es geschickt, durch einen ebenso ehrgeizigen wie brutalen, ja sadistischen Plan Bowdens scheinbar sicheres Fundamant, sein Familienleben, das auch seine ausgesprochenen und unausgesprochenen Schwächen hat, seine berufliche Karriere, zu untergraben. So stirbt anfangs nur der Hund der Familie an einer Vergiftung. Doch schon wenig später kommt es zu einer erneuten brutalen Vergewaltigung an einer Bediensteten am Gericht, mit der Bowden Squash spielt und die in ihn verliebt ist. Cady kalkuliert auch bei diesem Verbrechen mit all seiner Intelligenz, dass das Opfer ihn nicht als Täter nennen wird, aus Angst.

Cady lässt keinen Zweifel gegenüber Bowden und seiner Frau, dass er deren Existenz langsam aber sicher vernichten will. Dazu benutzt er deren Tochter Danielle, in deren Vertrauen er sich als verständnisvoller Tanzlehrer einschleicht, bis es schließlich zum entsetzlichen Showdown am Cape Fear kommt ...

Zweifellos ist Scorsese mit »Cape Fear« ein immer spannender und packender Film gelungen. Robert de Niro spielt (wie fast immer) den hasserfüllten und sadistischen Cady nicht nur überzeugend, sondern ruft beim Zuschauer in dieser Rolle stellenweise mehr Sympathie hervor als der nunmehr verfolgte Bowden. Nick Nolte bleibt allerdings in der Rolle des Anwalts nicht nur punktuell, sondern über weite Strecken schwach und kann seinem »Vorgänger« Gregory Peck in keiner Weise das Wasser reichen. Dadurch verliert der Gegensatz zwischen dem rachsüchtigen Cady hier und der heuchlerischen, doppelbödigen Gestalt des Bowden dort oft an Schärfe. Dieser Gegensatz aber, durch den der Zuschauer ständig schwankt, auf wessen Seite er sich eigentlich stellen soll, macht vor allem den Reiz des Drehbuchs aus. Ein erfolgreiches Debüt lieferte dagegen Juliette Lewis als Tochter der Bowdens.


 

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