Straßen in Flammen
(Streets of Fire)
USA 1984, 93 Minuten
Regie: Walter Hill

Drehbuch: Larry Gross, Walter Hill
Musik: Ry Cooder
Director of Photography: Andrew Laszlo
Montage: James Coblentz, Freeman A. Davies, Michael Ripps
Produktionsdesign: John Vallone

Darsteller: Michael Paré (Tom Cody), Diane Lane (Ellen Aim), Rick Moranis (Billy Fish), Amy Madigan (McCoy), Willem Dafoe (Raven Shaddock), Deborah van Valkenburgh (Reva Cody), Richard Lawson (Officer Ed Price), Rick Rossovich (Officer Cooley), Bill Paxton (Barkeeper Clyde)

Cool, aber sonst ...?

"Du stehst nur unter Tierschutz,
weil ich mich nicht an Kröten vergreife."
(Tom zu Billy Fish)

Der Score ist cool: Die Ry Cooder-Band mit "Get Out Of Denver" oder "Hold The Snake", The Blasters mit "One Bad Stud", Laurie Sargent mit "Sorcerer" oder "Never Be You" und Fire Inc. mit "Nowhere Fast". Das Saturday Night Fever wölbt sich über den gesamten Film. Alles cool: die Typen, die Sprüche, die Atmosphäre, das Milieu, ja selbst die Cops sind more than cool. Und alles ist Pop – 80er-Jahre-Pop – aber POP.

Walter Hill ("Last Man Standing", 1996; "Geronimo", 1993; "The Warriors", 1979) erzählt uns eine "Rock & Roll fable ... from another time, another place", wie es im Vorspann des Films heißt. Alles soll nach den 80er Jahren aussehen und erinnert doch in vielem an einen extra aufgepeppten James-Dean-Film der 50er Jahre – ohne James Dean, versteht sich, und ohne einen actor, der der Legende auch nur annähernd nahe käme.

Die Story ist schnell erzählt: In einem von Fabrikhallen, qualmenden Schloten, Gangs aller Sorten, Discos, Bars und music halls, umgefallenen Mülltonnen, Schlägereien, kreischenden Fans und gut aufgelegten Bands und natürlich Cops "gemalten" Szenerie irgendeiner x-beliebigen Großstadt wird die umschwärmte Sängerin Ellen Aim (Diane Lane) während eines Auftritts in einer überfüllten Halle von einer Gang unter Führung von Raven (Willem Dafoe) gekidnappt, der die Lady ans Bett fesselt und irgend etwas faselt von einer vorübergehenden Beziehung von zwei, drei Wochen – danach käme sie wieder frei.

Reva Cody (Deborah van Valkenburgh) telegrafiert ihrem Bruder Tom (Michael Paré), er solle kommen, um Ellen zu befreien. Tom hatte mal was mit Ellen, die inzwischen mit dem Produzenten Billy Fish (Rick Moranis) zusammenlebt, sie aber verlassen, weil für Ellen die Musik und nicht er die erste Geige gespielt habe. Nach anfänglichem Zögern erklärt sich Tom bereit, für 10 Riesen, die Billy zahlen soll, Ellen aus den Fängen von Raven zu befreien. In einer Bar lernt er McCoy (Amy Madigan) kennen, die mal beim Militär war, sich immer noch "einen Soldaten" nennt und natürlich stets eine Waffe bei sich trägt. McCoy will Tom helfen. Zusammen mit Billy machen sich beide auf, um Ellen aus dem "Torchies", einer Musikkneipe im berüchtigten Stadtteil Battery, zu befreien. Das gelingt auch, nicht ohne dass Tom nicht nur einige Motorräder von Ravens Gang "Bomber", sondern den halben Stadtteil in Flammen aufgehen lässt. Raven schwört ihm Rache ...

Alles andere, was nun folgt, läuft auf ein Duell zwischen Raven und Tom hinaus. Die schwierige Liebesbeziehung zwischen Tom und Ellen ist eine ebensolche Farce wie die Geschichte insgesamt, die – wenn man von den Pop-Effekten, der Umgebung und den lockeren Sprüchen (s.o.) einmal absieht – eher an eine B-Western-Rache-Geschichte erinnert, denn an eine überzeugende Erzählung. Was für Hill ausschließlich zu zählen scheint, ist der Schein, der spezifische Glamour, das makabre Heldentum, das Macho-Gehabe Toms, die Coolness von McCoy und das Kampfgehabe des gesamten Films. All das hat mit wirklichen Menschen und wirklichen Geschichten kaum noch etwas zu tun.

Aber das war wohl Absicht. Man könnte auch sagen: "Streets of Fire" ist ein auf gut neunzig Minuten ausgedehnter TV-Werbe-Clip, ausgiebig gespickt mit Rock'n'Roll. Allerdings wird hier für nichts Werbung gemacht – es sei denn, im Sinne eines l'art pour l'art, für die eigene Inszenierung. Die Figuren, auf die wir treffen, sind Karikaturen ihrer selbst: Tom als absolut kühler Einzelgänger mit Hang zur Depression und Gewalt, aber auch zu einer schrill und oberflächlich anmutenden Gerechtigkeit; McCoy als weibliches Gegenstück, immer einen flotten Spruch auf den Lippen; Raven als böser Gangleader, wobei unklar bleibt, warum der Kerl böse ist; Billy Fish als egoistischer, gelackter Geldmacher-Zwerg. Diese klischee-beladenen Figuren ähneln eher Pulp-Comic-Figuren oder B-Western-Helden, denn wirklichen Charakteren.

Die Kunstwelt, die Hill zeichnet, ist ausschließlich Kulisse, Makulatur. Die Geschichte ist Mittel zum Zweck. Der Zweck ist die Kulisse. Nicht umgekehrt. Selbst die Gewalt (der Film steht in Deutschland unter FSK-18-Vorbehalt) ist eher Mittel der Kunstwelt. Es kracht und brennt in regelmäßigen Abständen wie es singt und rock'n'roll't in ebenso regelmäßigen Abständen. Dazwischen hagelt es coole Sprüche.

Ist es Einfallslosigkeit, die jemand zu einem solchen Film treibt? Kaum. Es ist pure Absicht. Es ist Spaß an der Freude. Aber was steckt hinter einem solchen Film? Eigentlich nichts außer anderthalb Stunden Spaß an der Freude. Es ist Comic, versetzt mit Pop, ein bisschen 50er-Jahre-Coolness, ein bisschen billigem Western-Heldentum, ein bisschen Macho-Gehabe – that's all.

Wem's gefällt ...

Mich ließ der Film etwas ratlos zurück. Ich liebe dann doch eher die Geschichten, die im Kino erzählt werden, die Charaktere, denen man sich nahe fühlen kann, die Dramatik, die aus einer Geschichte erwächst, und nicht aus dem vordergründigen visuellen Touch. Nicht einem "It's only Rock'n'Roll" kam mir in den Sinn – sondern am Schluss eher: nun ist es verpufft, geplatzt wie eine Seifenblase. Da bleibt nichts hängen, da hinterlässt nichts irgendeine Spur. Da gräbt sich nichts ein. Nur die Musik, die blieb.

Wertung: 6 von 10 Punkten.

14. Juni 2008