The Wild Bunch
USA 1969, 134 Minuten
Regie: Sam Peckinpah

Drehbuch: Walon Green, Sam Peckinpah, Roy N. Sickner
Musik: Jerry Fielding, Ross Hastings
Director of Photography: Lucien Ballard
Montage: Lou Lombardo
Produktionsdesign: Edward Carrere

Darsteller: William Holden (Pike Bishop), Ernest Borgnine (Dutch Engstrom), Robert Ryan (Deke Thornton), Edmond O’Brien (Freddie Sykes), Warren Oates (Lyle Gorch), Jaime Sánchez (Angel), Ben Johnson (Tector Gorch), Emilio Fernández (General Mapache), Strother Martin (Coffer), L. Q. Jones (T. C.), Albert Dekker (Harrington) Bo Hopkins (Clarence Lee)

Gnadenlos ...

Es gibt so etwas wie gnadenlose Filme. Sam Peckinpahs „The Wild Bunch” gehört dazu. Nach knapp 15 Minuten ist die Richtung dieses Westerns ebenso klar wie das Gnadenlose in der Mentalität seiner Akteure. Die Inszenierung von „The Wild Bunch” lässt keine Zweifel über das Bild des Untergangs, das hier gezeichnet wird und das die amerikanische Gesellschaft ebenso desavouiert wie das Genre des Westerns und die Zeit, in der er spielt, selbst. Doch dieser Untergang kommt keiner bedingungslosen Kapitulation gleich. Es ist der Untergang in Permanenz.

Während eine in Soldatenuniformen verkleidete Bande in aller Seelenruhe in eine Stadt reitet, um dort eine Bank zu überfallen, spielen Kinder auf dem Boden, setzen Skorpione einem Haufen von Ameisen aus und freuen sich über dieses makabre Spiel. Dass das keine Schadenfreude oder gar irgendein sadistisches Vergnügen ist, sieht man den lachenden Kindern im Gesicht an. Es ist – normal. Das Lachen ist analog dem der Bande, wenn deren Mitglieder in den wenigen Ruhepausen, die sie haben, selbst darüber lachen, dass ihr Coup fehlgeschlagen ist.

Ebenso normal sind die Verhältnisse in der Kleinstadt selbst. Während ein Prediger vor ältlichen Damen gegen den Alkohol wettert und man gemeinsam zu einer Art Prozession aufbricht, ist die Bande an der Bank angelangt. Einer hält Wache. Pike (William Holden), Dutch (Ernest Borgnine), die Gorch-Brüder Lyle (Warren Oates), Tector (Ben Johnson), Angel (Jaime Sánchez) und ein paar andere gehen in die Bank, überwältigen die Anwesenden und bemächtigen sich der Säcke, in denen sie Geld und andere Wertsachen vermuten. Die Prozession nähert sich der Bank, nichts ahnend, während auf der gegenüberliegenden Seite auf den Dächern ein ehemaliger Kumpel von Pike, Deke (Robert Ryan), mit ein paar Kopfgeldjägern darauf wartet, dass Pike und seine Leute die Bank wieder verlassen. Einer von Pikes Leuten bemerkt dies.

Was folgt, ist eine gnadenlose Schießerei, eine Art Schlachtfest, bei dem wahllos geschossen wird und etliche Menschen, die an der Prozession teilnehmen, im Kugelhagel umkommen. Pike und die meisten seiner Leute können entkommen, einige lassen ihr Leben. Auf der Flucht müssen sie entdecken, dass sie reingelegt worden sind. Statt Geld finden sie in den Säcken nur wertlose Unterlegscheiben. Es sollte der letzte Coup sein. Der ist dahin. Und sie auf der Flucht vor Deke, der von dem Chef der Eisenbahngesellschaft Harrington (Albert Dekker) angeheuert wurde, um Pike den Garaus zu machen. Wenn Deke Pike nicht erledigt, wird Harrington dafür sorgen, dass Deke wieder im Gefängnis landet.

Schon in dieser ersten knappen halben Stunde wird deutlich, um was es geht – auf allen Seiten. Die Zeiten haben sich geändert. Das Auto ist längst erfunden, sogar die ersten Flugzeuge. Der Westen ist nicht mehr, was er einmal war oder was Leute in ihm sahen. Pike, aber auch Deke wissen das genau. Sie handeln nach überholten Regeln in einer Welt, die sie längst hinter sich gelassen hat. Oder doch nicht? Die Skrupellosigkeit ist allerorten. Mit allen Mitteln, wirklich allen, will Harrington den Sieg der Eisenbahn mit allem, was dazu gehört, durchsetzen. Seine Gewalt – ausgeübt über Deke und ein paar Kopfgeldjäger – soll „nur” dazu dienen, der Gewalt der Ökonomie (vollends) zum Durchbruch zu verhelfen.

Pike ist alt geworden, sein bester Kumpel Dutch ebenso. Sie wollen den letzten großen Coup, um sich zur Ruhe zu setzen oder weiß der Henker was. Und selbst das wird ihnen verwehrt. Aber nicht von irgendeinem dahergelaufenen Sheriff, sondern von der neuen Zeit, in der nur noch die Ökonomie, die Gewalt des Geldes herrschen soll.

Dass die alte Gewalt, die Gewalt der Revolvers der Outlaws dabei ebensowenig Gnade kennt wie die neue Gewalt des Geldes, lässt Peckinpah uns in jedem Bild dieses Films spüren. Diese Gewalten knallen aufeinander, aber nicht nur das. Pike wie Deke, Harrington wie der mexikanische General Mapache (Emilio Fernández) sind nichts weiter als Handlanger, Strohpuppen der alten oder der neuen Zeit. Pike und seine Bande flüchten nach Mexiko, nehmen unterwegs den alten Sykes (Edmond O’Brien) mit, der auf die Pferde aufgepasst hat, in das der Grenze nahe Agua Verde, wo General Mapache und seine Truppen, die gegen Villa (gemeint ist offensichtlich Pancho Villa) kämpfen, ihr Lage aufgeschlagen haben – auch eine Gruppe von Banditen, die keine Regeln kennen, geschweige denn akzeptieren. Wilde Horden gibt es gleich mehrere in „The Wild Bunch”: Pikes Bande, Dekes Bande, Mapuches Bande. Sie überfallen ganze Landstriche, zerstören auch die geringsten Ansätze friedlichen Zusammenlebens, terrorisieren, wer ihnen im Weg steht.

Da der Coup auf der anderen Seite der Grenze daneben ging, lassen sich Pike und seine Bande von Mapache anheuern. Handlanger allerorten. Sie sollen einen amerikanischen Militärtransport überfallen, um Mapache Waffen zu besorgen – gegen eine Belohnung von 10.000 Dollar. Von Anfang an ist Pike klar, dass Mapache jede Gelegenheit ergreifen wird, um die 10.000 Dollar nicht zu bezahlen. Trotzdem lässt er sich auf das Geschäft ein und trifft entsprechende Vorkehrungen, Mapache zum Zahlen zu zwingen. Und er weiß auch, dass er an mindestens zwei Fronten kämpfen muss: gegen Mapache und gegen Deke, der ihn weiter verfolgt.

Dass diese Geschichte mit einem Massaker endet, wie sie mit einem Blutbad angefangen hat, ergibt sich fast von selbst. In den wenigen ruhigen Minuten des Films wird (in den Gesichtern der Akteure) fast noch deutlicher als in den skrupellosen Kämpfen, was aus den Helden des Westerns und den Helden des Westens geworden ist. Doch diese Metamorphose vom Helden zum skrupellosen Lakaien einer grenzenlosen alten oder neuen Gewalt ist, betrachtet man den Film als Ganzes, weniger eine Verwandlung im historischen Sinne oder im Hinblick auf die Entwicklung des Genres Western. „The Wild Bunch” deckt eher und vor allem die Verlogenheit des Genres ebenso auf wie die Verlogenheit einer Geschichtsschreibung, die sich u.a. auch im Genre abbildet und feiert – mit allen Ideologemen und aller Idealisierung. Man könnte insofern einen Bogen spannen von Fred Zinnemanns „High Noon”, in dem ein Marshall am Schluss vor der feigen Einwohnerschaft, die ihn im Stich gelassen hat, seinen Stern in den Staub wirft, bis hin zu Scorseses „Gangs of New York”, in dem die Entstehung „der” modernen Metropole Amerikas aus der Gewalt von Straßengangs und harten ökonomischen Interessen gezeigt wird.

Peckinpah geht in gewisser Hinsicht noch weiter. Er zeigt zwar nicht, wie die moderne Ökonomie sich rücksichtslos und abseits jedes Begriffs von Demokratie oder Humanität durchsetzt. Aber in einem negativen Sinn zeigt er es eben doch, wenn am Schluss Deke, sichtlich gebeutelt durch das Blutbad, das Angebot Sykes annimmt, mit diesem und ein paar anderen übrig gebliebenen Banditen weiter zu machen – man könnte dazu sagen: bis zum bitteren Ende.

Es ist fast selbstredend, dass Frauen in diesem von Tod und Blut, Verrat und Intrige gezeichneten Bild eines Amerikas im Übergang von der „wilden” Phase in die ökonomisch „gezähmte” Phase ausschließlich eine Rolle als stets verfügbarem Material zukommt – auf allen Seiten und immer wieder in den Dialogen der Männer entsprechend zum Ausdruck kommend. Auch dies weist zurück auf die Entblößung des Genres wie die der verkleisternden Geschichtsschreibung. Nichts ist zu spüren von Wärme und Zärtlichkeit, von Mitgefühl oder doch zumindest einem leisen Aufbegehren. Selbst die Kinder – man erinnere sich der Anfangsszene mit den Skorpionen – haben die Skrupellosigkeit bereits verinnerlicht. Das Weibliche ist im wahrsten Sinn des Wortes in allen Akteuren und ihrer Umgebung ausgelöscht.

„The Wild Bunch” ist insofern auch eine Abrechnung – eine Abrechnung mit einer Epoche der amerikanischen Geschichte und ihrer „normalen” Visualisierung im Genre des Westerns, in der die Abrechnung, das kühle, gefühllose Kalkül, sei es des untergehenden egoistischen Outlaws, sei es des aufkommenden, in ebenso kühlen ökonomischen Kategorien denkenden und handelnden homo novus des modernen Kapitalismus nur einen Form- und Strukturwandel vollzieht. Und Peckinpah schlägt den Western und den glorifizierten Westen mit seinen eigenen Mitteln.

© Bilder: Warner Home Video
Screenshots von der DVD


 

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