Virus
(Virus)
Frankreich, Großbritannien, Deutschland, USA, Japan 1999, 99 Minuten
Regie: John Bruno

Drehbuch: Chuck Pfarrer, Dennis Feldman, nach den Comics von Chuck Pfarrer
Musik: Joel McNeely
Director of Photography: David Eggby
Montage: M. Scott Smith
Produktionsdesign: Mayling Cheng

Darsteller: Jamie Lee Curtis (Kelly Foster), William Baldwin (Steve Baker), Donald Sutherland (Robert Everton), Joanna Pacula (Nadia Vinogradiya), Marshall Bell (J. W. Woods Jr.), Sherman Augustus (Richie Mason), Cliff Curtis (Hiko), Julio Oscar Mechoso (Squeaky)

Schwacher Virus

Filme wie Kurosawas „Die sieben Samurai”, Fritz Langs „Metropolis”, Ridley Scotts „Alien”, etliche Werke Hitchcocks und einige andere wirken in der Filmgeschichte fort. Sie graben sich in das (filmische) Gedächtnis ein, beeinflussen die Art und Weise, wie nach ihrer Entstehung gefilmt wird, den Stil, Intentionen und Charaktere. „Die sieben Samurai” z.B. war der erste Mission-Film: eine Gruppe von Leuten (hier die Samurai) erfüllen einen Auftrag, nicht ein einzelner Held.

Das hat nichts mit Plagiat zu tun. So ist etwa „Is was, Doc?” von Peter Bogdanovic zwar ein Remake von „Leoparden küsst man nicht”, eine unverhüllte Reminiszenz an die großen Screwball-Komödien der 30er und 40er Jahre, ja sogar im äußern Gerüst dem Film mit Cary Grant und Katherine Hepburn sehr ähnlich, aber eben kein Plagiat, sondern in seiner ganzen Art ein eigenständiges Kunstwerk. Die Grenzen zwischen (offensichtlichem) Plagiat und Filmen, die sozusagen Bezug nehmen auf das, was in der Filmgeschichte an Neuerungen geschehen ist, sind oft fließend.

Bei John Brunos Horrorfilm „Virus” aus dem Jahr 1999 wird dies besonders plastisch. Zum einen nimmt dieser Film auch unverhüllt Bezug auf das Genre und seine Entwicklungen, andererseits sind die direkten Bezüge auf einzelne Filme doch so eindrücklich, dass man von Plagiat sprechen könnte.

Eine russische Raumkapsel wird durch eine fremde Lebensform zerstört. Die Alienes machen sich danach auf dem russischen Satellitenüberwachungsschiff „Vladislav Volko” breit. Kurze Zeit später gerät der Schlepper „Sea Star” in einen Sturm. Um das Schiff und die Besatzung zu retten – das Schiff ist leck –, plädieren Kelly Foster (Jamie Lee Curtis), Navigationsoffizier an Bord, und der Maschinist Baker (William Baldwin) dafür, sich der Fracht zu entledigen. Doch Captain Everton (Donald Sutherland) weigert sich zunächst, weil er nur an das Geld denkt, dass er mit der Fracht verdienen wollte. Er bedroht Baker mit der Waffe. Baker und Foster allerdings setzen sich durch. Der Steuermann Woods lenkt den Schlepper in das Auge des Taifuns, damit man dort in aller Ruhe die Reparatur durchführen kann.

Dann entdeckt man die „Volko”. Everton entscheidet, an Bord des Schiffes zu gehen. Gesagt, getan. Kein Mensch scheint an Bord zu sein. Es herrscht Chaos und Zerstörung auf dem Schiff. Everton spekuliert darauf, die „Volko” abzuschleppen. Denn nach internationalem Seerecht winkt ihm dafür ein Gewinn von 10% des Werts des Schiffes – etliche Millionen Dollar, die die Russen für das abgeschleppte Schiff zahlen müssten, sobald es in einen Hafen gebracht worden ist.

Doch kurz danach passieren merkwürdige Dinge. Nachdem es Baker und Squeaky (Julio Oscar Mechoso) gelungen ist, den Strom wieder anzustellen, rast der Anker direkt auf die „Sea Star”,die daraufhin untergeht. Und plötzlich taucht ein Besatzungsmitglied der „Volko” wieder auf, Nadia (Joanna Pacula), die offenbar aus Angst auf die Crew der „Sea Star” schießt und, nachdem man sie überwältigt hat, eine für alle zunächst unglaubwürdige Geschichte von einer außerirdischen Lebensform erzählt, die nicht auf biologischen Zellen aufgebaut sei, sondern Energie benutze, um zu lernen, und menschliche Körper und Technologien missbrauche, um sich sichtbar zu machen.

Sehr schnell müssen Everton, Foster, Baker und die anderen „Sea Star”-Leute einsehen, dass Nadia nicht verrückt ist, sondern sich tatsächlich solche Aliens an Bord befinden. Es beginnt ein gnadenloser Kampf auf Leben und Tod ...

Was Bruno uns – manchmal bis in alle Einzelheiten des Films – zeigt, ist, wenn man es positiv formulieren wollte, eine unverblümte Reminiszenz vor allem an zwei Filme: an „Alien” und „Terminator”. Das Raumschiff ist hier ein Seeschiff, die Gestalt der Aliens erinnert unmissverständlich an den seiner menschlichen Hülle beraubten Terminator und auch die durch den Kampf zwischen Aliens und Menschen ausgelöste Verfolgungsjagd erinnert in fast allen Einzelheiten an die klaustrophobische Stimmung an Bord der Nostradamus in „Alien”. Wer die beiden Filme kennt, kennt auch „Virus”, d.h. Verlauf und Ende von „Virus” sind fast von Anfang an kaum ein Geheimnis. Allein diese starke Anlehnung an die beiden klassischen Filme nimmt „Virus” schon ein gerüttelt Maß an Spannung.

Hinzu kommt, dass Bruno sich nicht zu schade ist, in der Figur des Captain Everton ein naives, ja unglaubwürdiges, böses Element auf Seiten der Menschen zu implementieren. Während alle anderen der „Sea Star”-Crew den Kampf gegen die Aliens aufnehmen, will sich Everton den Aliens andienen, ihnen helfen. Was das soll, bleibt unerfindlich und entbehrt – bei allem guten Willen – jeglicher Logik. Denn nach allem, was auch Everton weiß, beabsichtigen die Aliens, alle Menschen, die ihnen in die Quere kommen, zu töten, um sie als Ersatzteillager für sich selbst zu nutzen.

Ansonsten funktioniert der Film – auf Basis der allseits bekannten Mittel des Plagiats – nach dem Prinzip der Domino-Theorie: einer nach dem anderen kommt um, bis nur noch Jamie Lee Curtis und William Baldwin übrig bleiben – kaum ein Geheimnis, was ich hier verrate.

Auch die Phantasie kommt bei „Virus” zu kurz. Da tauchen spinnenartige Aliens auf, andere, die wie Kopien von Terminator aussehen, die mit kranähnlichen Gliedmaßen arbeiten usw. Alles schon gesehen, alles schon bekannt.

Und die schauspielerischen Leistungen lassen zudem zu wünschen übrig. Insgesamt kann man sagen, dass die Schauspieler hier dem Drehbuch dienen, ja zum Anhängsel der bieder kopierten Geschichte degradiert werden – mal ganz abgesehen von den faden Dialogen. Besonders deutlich wird dies bei Donald Sutherland, einem ansonsten begnadeten Schauspieler, der Mühe hat, das Böse in der Figur des Captain Everton in irgendeiner Weise glaubhaft zu vermitteln. Alles wirkt gequält, gekünstelt und unecht, wie billiger Pulp, Schund. Wenn dann einer der Aliens – oder ist es überhaupt nur einer? – seine Stimme erhebt, dann assoziiert man zu allem Überfluss auch noch Darth Vader aus „Star Wars”.

Last but not least bleibt auch die Logik in „Virus” ziemlich auf der Strecke. Wenn die Russen erst eine Raumkapsel verlieren und dann auch noch keine Verbindung mehr zu einem Satellitenüberwachungsschiff haben, müssten sie nach allem gesunden Menschenverstand doch wohl versuchen, das Schiff zu orten, um der Sache auf den Grund zu gehen, zumal sie in Moskau oder wo auch immer sicherlich die letzte Position des Schiffes kannten. Doch von irgendeiner Suchaktion ist in „Virus” nichts zu sehen. Die „Volko“ schippert wochenlang unbemerkt durch die See.

Nicht nur das: Wenn die Aliens tatsächlich nur über Energie existieren und ihr „Unwesen” treiben können – wieso dreht man ihnen dann nicht einfach den „Hahn” ab? Statt dessen feuert man wie wild auf sie. Da bleibt dann zum Schluss nur noch die ultimative Gesamtzerstörung – aber auch das kennt man ja bereits aus „Alien” und anderen Filmen – nur eben deutlich besser.

© Bilder: Concorde Home Entertainment
Screenshots von der TV-Movie-DVD