Wallander - Vor dem Frost
(Wallander - Innan frosten)
Schweden, Dänemark, Norwegen, Deutschland 2005, 93 Minuten
Regie: Kjell-Åke Andersson

Drehbuch: Stefan Ahnhelm, Per Berglund, nach dem Roman von Henning Mankell
Musik: Adam Nordén
Director of Photography: Olof Johnson
Montage: Mattias Morheden
Produktionsdesign: Lene Willumsen

Darsteller: Krister Henriksson (Kurt Wallander), Johanna Sällström (Linda Wallander), Ola Rapace (Stefan Lindman), Ellen Mattsson (Anna Westin), Niklas Falk (Erik Westin), Angela Kovacs (Ann-Britt Höglund), Douglas Johansson (Martinsson), Mats Bergman (Nyberg), Fredrik Gunnarsson (Svartman), Chatarina Larsson (Lisa Holgersson), Jens Hultén (Torgeir), Karin Bertling (Birgitta Medberg)

Auf der Spur gefährlicher Heiliger

„Nur der Herr, dein Gott,
darf Leben geben. Und nur
der Herr, dein Gott, darf
Leben nehmen.”

Ein See. Der Wind zieht nur leicht über das Wasser. Schwäne horchen plötzlich auf. Irgend etwas bewegt sich im dichten Schilf, scheint sie zu bedrohen. Ein Mann zündet eine Art Fackel an. Die Schwäne werden aufgescheucht. Birgitta Medberg (Karin Bertling) erschrickt. Durch die Bäume hindurch sieht sie brennende Schwäne ziehen. Vor Schreck rutscht sie auf einem Stein aus, einen Abhang hinunter und schreit.

Linda Wallander (Johanna Sällström) hat die Polizeischule absolviert – und hat sich nach Ystad einteilen lassen, dort, wo ihr Vater Kurt (Krister Henriksson) auch seit über 30 Jahren seinen Dienst versieht. Sie ist gar nicht gut auf ihren Vater zu sprechen. Kurt wiederum reagiert auf Lindas Auftauchen erfreut, aber er fragt sich auch, warum Linda hierher gekommen ist – zu ihm ins Kommissariat.

Neben den filmischen Adaptionen der Romane Henning Mankells mit Rolf Lassgård (etwa „Die fünfte Frau”, 2002, oder „Die falsche Fährte”, 2001) produzierte das schwedische Fernsehen eine weitere Serie von Wallander-Filmen in anderer Besetzung, eben mit Krister Henriksson in der Hauptrolle. Henriksson wiederum ist ein ganz anderer Typ als Lassgård, äußerlich wie charakterlich, neun Jahre älter und auch in der Darstellung der bekannten Krimi-Figur deutlich von Lassgårds unterscheidbar.

Man kann sich nun trefflich streiten, welcher der beiden Mankells Wallander besser repräsentiert. Ich will das lassen, zumal auch die Filme insgesamt durchaus unterschiedlicher Qualität sind. Beide Interpretationen haben einiges für sich, ich bevorzuge allerdings Lassgård, was allerdings nicht gegen Henriksson spricht.

Wallander „beschäftigt” seine Tochter zuerst mit einer scheinbar harmlosen Vermisstengeschichte. Die Tochter von Frau Medberg beauftragt die Polizei, sie zu suchen; sie habe sich nicht gemeldet und sei über ihr Handy nicht erreichbar. Frau Medberg ist eine Art Heimatforscherin und hält sich oft in Wäldern oder anderen einsamen Gegenden auf. Wallander will noch einen Tag warten, bis er die Suche nach Frau Medberg startet. Linda ist anderer Meinung – teils weil sie ein Verbrechen vermutet, teils um ihrem Vater zu widersprechen. Sie leidet noch immer unter der Vernachlässigung durch Kurt während ihrer Kindheit, unter der Trennung ihrer Eltern usw.

Auf eigene Faust begibt sich Linda in den Wald, in dem die Tochter von Frau Medberg ihre Mutter vermutet. Mit dem Fahrrad betritt sie den Wald, ruft nach der Vermissten. Sie findet deren Tasche, Handy und Aufzeichnungen – und dann sieht sie ein Zelt unterhalb eines Abhangs. Darin liegt die tote Frau Medberg. Und ganz in der Nähe befindet sich auch ihr Mörder, der wohl nur deshalb Linda in Ruhe lässt, weil die inzwischen das Kommissariat benachrichtigt hat. Und Wallander ist stinkesauer auf seine Tochter, weil die im Alleingang und ohne jemanden zu informieren nach der Vermissten gesucht hat.

Linda will alles, nur nicht bei ihrem Vater wohnen, in ihrem ehemaligen Kinderzimmer. Sie besucht eine alte Freundin aus Schul- und Studienzeiten, Anna Westin (Ellen Mattsson), bei der sie auch vorübergehend unterkommen kann. Auch Anna hat Probleme mit ihrem Vater – der ist nämlich seit etlichen Jahren verschwunden. Und Anna reagiert sehr merkwürdig, als man sich mit einer alten Freundin trifft, die, weil sie keinen Mann haben wollte, in Dänemark ein Kind nach einer künstlichen Befruchtung. Anna reagiert aggressiv – und am nächsten Tag ist sie verschwunden.

Aber es passieren noch andere merkwürdige Dinge. So stellen Wallanders Kollegen fest, dass es zwischen den verbrannten Schwänen und dem Mord an Frau Medberg einen Zusammenhang geben muss. Die Fingerabdrücke an den Tatorten führen zu einem Norweger, der nach einem Schiffsunglück für tot erklärt worden war. Bei der schwedischen Armee wurden zwei Tonnen Sprengstoff gestohlen. Und dann – geschieht ein zweiter Mord: Eine junge Ärztin findet man erhängt in einer Kirche ...

„Der, der versucht, des Herrn
Platz zu rauben, soll Gottes
brennenden Zorn verspüren.”

Ich kenne Mankells Roman nicht. Aber das kann bei der Beurteilung einer filmischen Adaption auch ein Vorteil sein. Festzuhalten ist zunächst, dass sich Anderssons Adaption des Stoffs nicht auf Nebenschauplätze begibt, sondern die Handlung konsequent und stringent vorantreibt. Auch der Konflikt Wallanders mit seiner Tochter wirkt in keiner Weise die Haupthandlung störend; er ist in den dargestellten Fall eingebettet und beeinflusst das Handeln der Personen, etwa wenn Linda auf eigene Faust die vermisste Frau Medberg sucht.

Im Zentrum der Handlung stehen Wallander und seine Tochter, und natürlich die Personen, die für die Morde verantwortlich sind, über die ich hier aber lieber schweigen möchte. Henriksson „liefert” einen überzeugenden Wallander ab, einen, der trinkt, der von seinem Job aufgefressen wird, der mit einem schlechten Gewissen seiner Tochter gegenüber lebt, der sich aber andererseits auch bei der Bearbeitung des Falls nicht stören lässt und konsequent ermittelt. Henriksson spielt Wallander nicht wie Lassgård als einen etwas schüchtern wirkenden, oft zurückhaltenden Kommissar.

Johanna Sällström ist in ihrer Darstellung der Linda Wallander Henriksson ein durchaus gelungenes Gegenüber. Sie kann überzeugend eine Tochter zwischen Liebe zu und Wut auf ihren Vater vermitteln. Sie zeigt sich als ähnlich dickköpfig wie ihr Vater – was im Film zu einigen Zusammenstößen zwischen den beiden führt.

Wallanders Kollegen – Höglund, Martinsson, Nyberg und auch der „Neue”, Lindman (Ola Rapace) – spielen in dieser Inszenierung jedenfalls mehr oder weniger supporting roles. Von den Schauspielern noch zu erwähnen ist sicherlich Ellen Mattsson als verstörte junge Frau.

Der Film enthält einige äußerst spannende Szenen, zum einen die zu Anfang des Films, als Linda im Wald nach Frau Medberg sucht und der Mörder sich in ihrer Nähe befindet. Auch der Mord an der zweiten Frau, die Entführung eines Babys und besonders der Showdown bieten ausreichend spannende Momente.

Insgesamt also eine der gelungenen filmischen Adaptionen eines Mankell-Stoffs – auch wenn eingefleischte Mankell-Liebhaber sicherlich sagen werden: Jeder Roman Mankells ist besser als jede Verfilmung.

© Bilder: Yellow Bird Films, SF Film, UFA Home Entertainment