Wir waren Helden
(We Were Soldiers)
USA 2002, 138 Minuten
Regie: Randall Wallace

Drehbuch: Randall Wallace, nach dem Buch von Harold G. Moore und Joseph L. Galloway „We Were Soldiers Once ... and Young“
Musik: Nick Glennie-Smith
Director of Photography: Dean Semler
Montage: William Hoy
Produktionsdesign: Thomas E. Sanders

Darsteller: Mel Gibson (Lt. Colonel Hal Moore), Madeleine Stowe (Julie Moore), Greg Kinnear (Major Bruce „Snakeshit“ Crandall), Sam Elliott (Sergeant Major Basil Plumley), Chris Klein (2nd Lieutenant Jack Geoghegan), Barry Pepper (Joseph Galloway), Keri Russell (Barbara Geoghegan), Ryan Hurst (Sergeant Ernie Savage), Jsu Garcia (Captain Tony Nadal), Marc Blucas (2nd Lieutenant Henry Herrick), Blake Heron (Galen Bungum), Josh Dauherty (Robert Oullette), Don Duong (Lt. Colonel Nyugen Huu An)

Hauptsache: Vaterland

Merkwürdig zurückhaltend äußerte sich ein Teil der Medien zu dem Kriegsfilm von Randall Wallace (Drehbuch zu „Braveheart“ und „Pearl Harbor“). Der Krieg würde „ungeschminkt und so authentisch wie möglich gezeigt“ in diesem „nach den Regeln des konventionellen Kriegsfilms funktionierende(m) Heldenlied“ („Blickpunkt: Film“). Der „Schnitt“ sieht in „Wir waren Helden“ ein „ebenso respektables wie respektvolles Zeitbild“, das weder „politisierend, noch allzu sehr moralisierend“ daher komme und einen „eingehenden Blick in die amerikanische Volksseele“ gewähre. Andererseits setzten sich die „Zeit“ und die „Süddeutsche Zeitung“ grundsätzlich mit der neuen Welle von Kriegsfilmen aus den USA auseinander.

Winter 1965. Colonel Hal Moore (Mel Gibson) soll 400 Männer im vietnamesischen La Drang-Tal (genannt: Valley of the Shadow of Death) zum ersten Mal gegen eine Einheit der nordvietnamesischen Armee unter dem Kommandanten Colonel Nyugen Huu An (Don Duong) führen. Moore zur Seite stehen u.a. der im zweiten Weltkrieg und im Koreakrieg bewährte Sergeant Major Basil Plumley (Sam Elliott), der vor allem durch zynische Bemerkungen über den Krieg glänzt, Major Bruce Crandall (Greg Kinnear), der „Snakeshit“ genannt wird, weil er seinen Hubschrauber ganz dicht über den Boden lenken kann, und Lieutenant Jack Geoghegan (Chris Klein). Der amerikanischen Einheit von ca. 400 Männern steht eine zunächst ungewisse Zahl von nordvietnamesischen Soldaten gegenüber.

Nach etlichen Manövern auf der heimischen Militärbasis und dem Abschied von ihren Familien begeben sich Moore und seine Männer in den Krieg im südvietnamesischen Dschungel. Sie ahnen noch nicht, dass ihnen rund 2.000 vietnamesische Soldaten gegenüberstehen. Moores Auftrag (der auf einer wahren Begebenheit beruht, die der ehemalige Lieutenant General Moore zusammen mit dem Journalisten Joseph L. Galloway in einem Buch beschrieben hatten) ist ein Kamikaze-Unternehmen. Sehr rasch wird deutlich, dass weder irgendein Geländegewinn, noch gar ein Sieg über die nordvietnamesische Einheit einfach zu erreichen sind. Auf beiden Seiten kommt es zu erheblichen Verlusten ...

Seit „Pearl Harbor“ ist die amerikanische (Kriegs-)Filmindustrie vehement dabei, diejenigen Kriege, in die die USA verwickelt waren, ihrer historischen Perspektive zu berauben. Randall Wallace äußerte in einem Gespräch mit der „Welt“: [..] mein Film feiert das Heldentum der Soldaten und ihrer Familien. [...] Die Soldaten waren nicht vom Wunsch zu töten motiviert. Sie wollten überleben. Sie haben sich nicht entschieden, nach Vietnam zu gehen. Man hat sie dahin geschickt, und sie konnten nur zurück nach Hause, wenn sie den Feind umbrachten, der sie seinerseits umbringen wollte“ (1). Was sollten sie demnach anders machen als töten?

So einfach und fast schon primitiv, wie diese Enthistorisierung und Entpolitisierung des Krieges und seiner Ursachen (die Wallace ausdrücklich befürwortet) daher kommt, verhält es sich aber nicht.

„We Were Soldiers“ schildert Front und Heimatfront in keiner Weise anders als ein Landser-Roman. Zu Hause leiden die braven Ehefrauen und warten die kleinen Kinder auf ihre Väter. Moores Frau Julie (Madeleine Stowe) überbringt den anderen Frauen die Telegramme aus Washington, in denen ihnen der Heldentod ihrer Männer in knappen, pathetischen Worten übermittelt wird. Weit entfernt in Vietnam sterben die Soldaten auf beiden Seiten wie die Fliegen im Kampfgetümmel, das einen beträchtlichen Teil des Films beherrscht, ohne dass dabei wirklich so etwas wie Mitgefühl aufkommt. Denn sie alle – die Mütter und Ehefrauen daheim wie die Männer in Vietnam – sind als Figuren im Film ihrer Individualität als Menschen beraubt. Weder die kübelweise vergossenen Tränen hier wie da, noch Blut, Schweiß und zerfetzte Leiber, der massenhafte Tod, können darüber hinwegtäuschen, dass uns Wallace etwas vor macht: Er vernichtet nicht nur die Geschichte, er entpolitisiert nicht nur den Krieg, sondern er degeneriert auch seine Figuren zu entfleischten und entseelten Instrumenten einer gar nicht so neuen Form der Kriegsideologie, die den Krieg zu einer Institution umformuliert, gegen die kein Kraut gewachsen scheint. Auf diese Weise kehren Politik und Geschichte in einer spezifischen Interpretation als Ideologie wieder.

Die Entblößung des Krieges von Raum und Zeit, von Individualität ist nur die äußere Form, hinter der die Legitimation des Krieges – meist über kurze Dialoge – über die Hintertreppe wieder in das Bewusstsein tritt und die maßlose amerikanische Sicherheits-Ideologie ordentlich bedient. „Papi, was ist ein Krieg“, fragt Moores kleine Tochter ihren Vater. „Es ist etwas, das nicht geschehen sollte“, antwortet der Colonel, „wenn Menschen versuchen, anderen Menschen das Leben zu nehmen, dann gehen Soldaten wie dein Daddy dorthin, um das zu verhindern.“ So wird der Feind auf eine geradezu kindliche, aber umso deutlichere Art ausgemacht. Nur wenig später ordert Papi Napalm. Denn Daddy hat etwas zu verteidigen: seine Moral, seine Bildung, seine Lebensweise – weit, weit weg in Vietnam. Aber dieses „Weit, weit weg“ ist auch nur Schein. Denn Moore und seine Männer und ihre gerade propagierte Lebensweise sind eingekesselt. Sie sind Opfer und Helden zugleich. Keiner von ihnen hat (angeblich) diesen Krieg gewollt, aber nun sind sie mitten drin, eingekesselt wie die Indianer, was sollen sie also anderes tun, als sich – zu verteidigen? Einer der sterbenden Soldaten röchelt noch, er sei gern für sein Vaterland gestorben, andere lassen ihren Frauen ausrichten, dass sie sie lieben. Die Frauen daheim verteilen Hiobsbotschaften und weinen. Das Mitgefühl bleibt bei diesem Wechselbad zwischen Stahlgewittern und Tränen auf der Strecke.

Die Logik des Krieges, die Wallace entzaubert und die sich in „Men in Black II“ (dort sind es die Außerirdischen) und „Black Hawk Down“ (hier ist es Somalia) fortsetzen wird, beschwört Ernst Jüngers „existenzielle“ Kriegserfahrung als eine Reinigung, bei der sich erst wahre Kameradschaft zeigen kann. Mel Gibson, der der Rolle des Colonel Moore keine wirklich individuellen Konturen abgewinnen kann, ist die Identifikationsfigur dieser (nicht allzu) neuen Kriegsideologie, die mehr über die Gegenwart der amerikanischen Mentalität aussagt als über den Vietnamkrieg. Die Schlachtszenen bieten nichts Neues, warum auch? Auch sie sind lediglich das Instrument, auf dem der Film spielt.

Letztlich haben die USA den Vietnamkrieg gewonnen. Denn entscheidend ist nicht, dass sie sich aus Vietnam zurückgezogen haben, zurückziehen mussten, sondern dass sie jederzeit wieder so handeln würden und werden, wie diese „braven Männer“, diese brave hearts à la Moore. Der American dream ist diese Kombination aus verquerem Heldentum, enthistorisiertem Krieg und elitärer Werteideologie. Filme wie „We Were Soldiers“ sind aber keine Tricks. Ihre Aussage ist durchschaubar und wird offen vorgetragen und als legitim verkauft: Napalm zur Rettung der freien Welt, der freien Männer, der freien Frauen, der freien Kinder. Für The Land of the Free ist jedes Mittel erlaubt.

Das Perfide an dieser neuen Serie von Kriegsfilmen liegt anderswo. Sie verschaffen sich ein Feigenblatt, indem sie die „andere Seite“, hier die Nordvietnamesen, in einigen Szenen als „Menschen“ auftreten lassen. Am Schluss steht der nordvietnamesische Kommandant vor der zerfledderten amerikanischen Flagge und philosophiert in sich hinein – im Angesicht des Leichenberges seiner Soldaten. Und Wallace antwortet: Tut mir leid, aber wir haben uns (mit Napalm) nur verteidigt.

Ein derartiger Film lässt ein neues Gebot entstehen: Du sollst nicht fragen – danach, was die Amerikaner in Vietnam eigentlich zu suchen hatten. Der Defaitismus und der Widerstand gegen den Vietnamkrieg in den USA selbst, wie er sich Ende der 60er Jahre in zahlreichen Aktionen und Demonstrationen breit machte, scheint vergessen. Das Leichentuch einer neuen (alten) Ideologie ist ausgebreitet über die Fragen nach dem Warum. Männer sind Soldaten und Frauen Kriegsbräute und Ehefrauen von Helden. Wenn die US-Regierung heute nach Straflosigkeit für ihre Militäroperationen „nachsucht“ und damit fundamentale Grundsätze des internationalen Rechts für sich außer Kraft setzen will, so passt sich dies nahtlos in eine Logik ein, mit der wir uns alle noch lange, allzu lange beschäftigen müssen. Wenigstens Ernst Jünger würde sich über einen solchen Film freuen.

(1) “Die Welt” vom 4.7.2002


 

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