Zwei glorreiche Halunken
(Il buono, il brutto, il cattivo)
Italien, Spanien 1966, 161 Minuten
Regie: Sergio Leone

Drehbuch: Sergio Leone, Luciano Vincenzoni
Musik: Ennio Morricone
Director of Photography: Tonino Delli Colli
Montage: Eugenio Alabiso, Nino Baragli
Darsteller: Eli Wallach (Tuco), Clint Eastwood (Der Blonde), Lee van Cleef (Sentenza), Luigi Pistilli (Pater Pablo Ramirez), Rada Rassimov (Maria), Enzo Petito (Ladenbesitzer), Livio Lorenzon (Baker), Antonio Casale (Jackson / Bill Carson), Antonio Casas (Stevens)

Who’s good, who’s bad, who’s ugly?

Gibt es Chancen auf Erlösung, Rettung oder ähnliches? Wohl kaum! Wozu auch?

Ein paar Männer reiten auf ein einsam gelegenes Haus zu. Als sie es betreten, hört man Schüsse. Ein anderer Mann verlässt das Haus, rennt zu seinem Pferd und galoppiert davon. Im Haus liegen nur Leichen. Der davon reitet, ist Tuco, der BRUTALE.

Irgendwo in einer kargen Landschaft, die von der Sonne fast verbrannt wird, betritt ein Mann ein Haus. Es ist Sentenza (Lee van Cleef). Der Besitzer des Hauses und seine Familie erstarren in Angst. Sentenza grinst auf seine unnachahmliche Art. Er setzt sich an den Tisch und isst mit Stevens (Antonio Casas). Er will Informationen über einen Mann namens Jackson, der sich jetzt Bill Carson nennt, weil der möglicherweise weiß, wo der Armee gestohlenes Geld versteckt ist. Sentenza bekommt die Information und erschießt Stevens und dessen Sohn. Sentenza ist der BÖSE.

Tuco kommt nicht weit. Ein paar Galgenvögel wollen ihn an den Sheriff ausliefern, denn auf Tuco ist ein hohes Kopfgeld ausgesetzt. Ein Mann auf einem Pferd, der ständig einen Zigarillo im Mund hat, rettet Tuco, indem er die drei Kopfgeldjäger in Sekundenschnelle in die Hölle schießt. Er ist der Blonde, der GUTE. Beide kassieren die 2.000 Dollar, indem der Blonde Tuco ausliefert, das Lösegeld kassiert, doch Tuco dann vom Galgen schießt und mit ihm flieht und teilt.

Alles scheint zugespitzt: auf das Geld der Armee, das irgendwo vergraben sein soll. Sentenza will es – und tötet deshalb nicht nur Stevens, sondern auch seinen Auftraggeber Baker. Irgendwann will es auch Tuco, als er davon erfährt. Und der Blonde will es natürlich auch. Die Wege, die alle drei zum Geld gehen, sind unterschiedlich. Doch es ist nichts als das Geld, 200.000 Dollar, von Carson der Armee geklaut, das im Zentrum des Geschehens steht, und die damit erhoffte, verbundene Macht. Niemand in dieser Geschichte denkt an etwas anderes. Jeder scheint bereit, dafür alles zu geben und alles zu tun.

Und doch ist „Il buono, il brutto, il cattivo” nicht nur eine von Leones vielen Entzauberungen des klassischen Westerns. Man mag darüber streiten, ob es die beste ist oder eher nicht. Der Streit ist müßig. Denn die „Fakten” sprechen eben doch für sich. Die Komik, die Leone teils in den Personen, teils in den Handlungssträngen benutzt, um den klassischen Western zu desavouieren, tut ihr übriges. Da ist die manchmal frappierende Lächerlichkeit Tucos, dem man an den Augen anzusehen vermag, was er denkt und was er vor hat. Da ist der halb grinsende, halb brutale Blick von Sentenza, eine Rolle, die Lee van Cleef auf den Leib geschnitten scheint – ein Blick, der keinen Zweifel über die Skrupellosigkeit des „Bösen” aufkommen lässt. Und da ist die Verstandesschärfe des Blonden, die Kühle seiner Logik, die ihm allerdings manchmal auch nicht hilft. Da muss das Leonesche Glücksprinzip einspringen, um ihn aus lebensgefährlichen Situationen zu retten.

Alle drei repräsentieren unterschiedliche Wege – nicht nur zum Geld, sondern auch in einem historischen Sinne. Tuco steht für den alten Gauner einer überkommenen Welt, einen, der sich mit situativer Brutalität und Verschlagenheit allein durch eine Welt schlägt, in der dies bald der Vergangenheit angehören wird. Tuco ist Individualist wie die anderen, aber er denkt über den eigenen Tellerrand nicht hinaus. Im Gegensatz dazu repräsentiert Sentenza, den man auch Angel Eyes nennt, den korporativen Killer, einen, der sich die Dienste anderer zunutze zu machen weiß – und sie am Ziel seiner Absichten ebenso schnell wieder fallen lässt, sprich: tötet. Auch er gehört schon fast einer vergangenen Epoche an. Der korporative Killer wird erst wieder auftauchen in Gestalt der großen, mafiaähnlichen Organisationen des industriellen Amerika. Und der Blonde? Natürlich ist uns Clint Eastwoods Blonder am sympathischsten. Denn Eastwood spielt den fast schon modernen Individualisten, der uns am nächsten steht – einen, der keine Unschuldigen tötet, der überhaupt nur tötet, wenn er angegriffen wird und es unumgänglich ist.

Als der Blonde sich von Tuco und ihrem gemeinsamen Lösegeldbetrugsgeschäft trennt, kennt Tuco nur noch eines: den Blonden verfolgen, der mit ihm die letzte erschlichene Summe nicht geteilt hatte. Und nur der Einschlag einer Kanonenkugel in einem Hotel rettet den Blonden vor Tucos Kugeln – bis er ihn wieder aufspürt und ohne Wasser und Hut durch die Wüste jagt. Und wieder ist es der Zufall – wenn es einen solchen denn bei Leone überhaupt gibt –, der dem Blonden das Leben rettet: in einer vorbeifahrenden Kutsche liegt schwerverletzt neben erschossenen Männern: Carson à la Jackson. Der verrät Tuco vom Friedhof, wo das Geld begraben sein soll, hinter dem bislang nur Sentenza her war. Nur, als Tuco ihm Wasser holen will, verrät Carson dem Blonden, in welchem Grab das Geld angeblich versteckt ist. Fortan ist der Blonde für Tuco ein wohl behüteter Mann. Denn der Blonde ist nicht so blöd, Tuco die Inschrift des Grabes zu verraten. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg – und es bleibt nicht aus, dass Sentenza ihren Weg kreuzt ...

Es ist weniger Glück – es ist die Leonesche Ironie, die immer wieder in diese Geschichte eingreift – um Sackgassen zu vermeiden und vor allem um dem Blonden das Leben zu retten.

Wer hier gut, böse oder brutal ist? Leone überlässt dies scheinbar dem Zuschauer und den anfangs eingeblendeten Schriftzügen „Der Gute”, „Der Böse, „Der Brutale”. Doch rasch wird deutlich, dass diese eindeutigen Zuweisungen nicht so eindeutig sind, wie man vielleicht gedacht hat. Und genauso deutlich wird, dass Leone es nicht dem Zuschauer überlässt. Er, Leone, hat die Zügel des Films fest in der Hand.

Tuco ist ein Schwein, Sentenza ist ein Schwein, und der Blonde? Zumindest ein Betrüger – und als es um die gestohlenen Armee-Gelder geht, ist es der Blonde, der weiß und längst – im Gegensatz zu Tuco und Sentenza – begriffen hat, dass dieses Geld nicht „as usual” zu ergattern ist. Weder die primitiv brutale und durchsichtige Art Tucos, noch die korporativen Gangstermethoden Sentenzas führen zum Erfolg. Der Verstand und das Geschick des Blonden – gepaart mit ein bisschen Glück (= Risiko) – führen zum Geld – nothing else. Der Blonde ist das moderne Schwein.

Leone demaskiert auch in diesem – als dritter Teil der „Dollar-Trilogie” gedachten – Film die Schwarz-Weiß-Malerei des amerikanischen Western, die Ideologie vom von Abenteuern reichen „Wilden Westen” und damit eben auch ein Stück Illusion der amerikanischen Geschichte. Wenn Gary Cooper als Marshall Kane in „High Noon” (1952) noch den Guten spielt, der am Schluss den vor Feigheit strotzenden Einwohnern den Stern vor die Füße wirft, weil sie ihm im Kampf gegen eine mordende Bande im Stich gelassen haben, und den Ort enttäuscht verlässt, könnte man diesen Film Fred Zinnemanns als erste Form der Demaskierung des Genres bezeichnen.

Leone geht weiter. Niemand in diesem Film ist „gut” im Sinne des amerikanischen Western. Die wenigen Frauen sind Opfer, der Shopkeeper, bei dem Tuco einen Colt und Geld mitgehen lässt, ist ebenfalls Opfer. Sie alle spielen keine Rolle in diesem Spiel, in dem sich alles ausschließlich um die Beute dreht. Und wo die Beute zum Zentrum des Lebens geworden ist, sind das Jagen und der Jäger die herrschenden Formen und Charaktere der Handlung. Dass der Blonde dieses Spiel gewinnt, ist fast natürlich. Denn er ist seiner Zeit voraus. Fast könnte man sagen, die 200.000 Dollar, die er am Schluss erntet, sind das Startkapital in eine neue Phase des („modernen”) Kapitalismus. Die im (in Spanien gedrehten) Film um die handelnden Personen herum bestehende „gähnende Leere” – vor allem die Ödnis der Landschaft – drückt „nur” aus, in welcher Leere sich diese Handelnden befinden. Wenn die Beute das Zentrum des Interesses ist, wird alles andere fünftrangig. Da ist keine Liebesgeschichte, da sind keine anderen Menschen, außer denen, die instrumentalisiert werden. Die phantastische Musik Morricones tut ein übriges, um diese Atmosphäre zu unterstützen.

Erst als der Blonde am Schluss den dummen Tuco vom Strang schießt, an den er ihn selbst geknüpft hatte – die Hälfte des Geldes vor Tucos Füßen –, werden der Sadismus des Blonden, aber eben auch die Ironie, die Leone der Geschichte verpasst hat, vollends sichtbar.

© Bilder: MGM.
Screenshots von der DVD.